Dinner fuer drei Roman
Gott, das ist jetzt schon die neunte Aufnahme.«
Der Regisseur trat einen Schritt nach vorn. Obgleich die Veranda vor Blakes Wohnung angeblich über der Garage lag, ragte die Kulisse kaum einen Meter über dem Studioboden auf. Während eine der Garderobieren Eric ein Hemd reichte, wandte sich Swackhammer an Honey.
»Sollen wir die Kristalle bringen lassen?«
Honey arbeitete seit sechs Monaten beim Film, lange genug, um zu wissen, dass er von Mentholkristallen sprach, die
ihr in die Augen geblasen werden konnten, damit sie tränten. Da sie sich vorstellen konnte, wie angewidert Eric davon wäre, schüttelte sie den Kopf. Richtige Schauspieler brauchten keine Mentholkristalle. Nicht, wenn sie richtig vorbereitet waren. Nicht, wenn sie ihre Bewusstseinsübungen gemacht hatten. Aber diese Szene war, als würde man eine alte Wunde aufreißen, und sie wollte nur noch weg von hier.
Eric knirschte mit den Zähnen. »Nimm um Gottes willen die Kristalle. Wir haben einfach nicht die Zeit, darauf zu warten, bis du es richtig machst.«
Seine Gefühllosigkeit gab ihr endgültig den Rest. »Janie ist, verdammt noch mal, nicht irgendeine jämmerliche Heulsuse. Und ganz sicher würde sie ihre Zeit nicht damit vergeuden, wegen eines Arschlochs wie Blake auch nur eine Träne zu vergießen.«
Lisa streckte ihren Kopf aus der Tür. »Machen wir eine Pause? Ich muss nämlich aufs Klo.«
»Nein!«, herrschte Eric sie an. »Wir machen keine gottverdammte Pause. Es ist bereits sechs Uhr. Wenn Honey es beim nächsten Mal nicht hinkriegt, gehe ich nach Hause. Ich habe Wichtigeres zu tun als darauf zu warten, dass sie ihre Rolle endlich draufhat.«
»Als ob nicht jeder wüsste, was du noch zu tun hast«, schrie Honey ihn an.
»Das reicht. Ich bin weg. Das brauche ich mir nicht bieten zu lassen.«
Eric schwang sich über das Geländer auf den Studioboden. Da er täglich trainierte, gab es keinen Grund für ihn, so außer Atem zu kommen, doch gegen die Panik, die ihn mit einem Mal erfasste, war seine körperliche Fitness machtlos. Er hatte die Zusammenarbeit mit Honey von Anfang an gehasst. Es war unerträglich, wie sie ihn immer ansah und wie sie ihm überallhin folgte. Hätte er gewusst, dass sie mitspielte, hätte er den Vertrag für die Serie niemals unterzeichnet. Nicht einmal seine wachsende Berühmtheit war es wert, sich zwingen
zu lassen, täglich in diese großen, sehnsüchtigen Augen zu sehen, in dieses Gesicht, das seine Aufmerksamkeit regelrecht zu erflehen schien.
»Immer mit der Ruhe, Leute«, rief der Regisseur. »Die Dinge sind ein wenig außer Kontrolle geraten. Eine Aufnahme noch, Eric. Wenn Honey es dieses Mal nicht hinkriegt, fangen wir morgen noch einmal von vorn an. Komm schon, Eric, tu mir den Gefallen. Es ist spät, und wir alle sind mit den Nerven am Ende. Holt mir die Kristalle!«
Eric knirschte mit den Zähnen. Am liebsten hätte er sie allesamt aufgefordert, zur Hölle zu fahren, doch wenn er jetzt ginge, würde er am nächsten Morgen wieder mit der kleinen Kröte vor die Kamera treten müssen, und er bekam ohnehin nachts kaum noch ein Auge zu. Manchmal mischte sich ihre Stimme in seinen Albträumen bereits mit der von Jason.
Widerwillig schälte er sich aus seinem Hemd und stieg die drei Stufen zur Veranda hinauf. Sie starrte ihn an, und ihre Verletztheit, in die sich hoffnungslose Bewunderung mischte, die sie trotz allem offenbar immer noch für ihn empfand, ließ ihre leuchtend blauen Augen riesengroß wirken. Er hatte das Gefühl, als hätte sie ihn am liebsten in sich aufgesogen oder einfach ganz verschlungen. Er versuchte, sich von ihr zu distanzieren, indem er ihr Gesicht einer objektiven Musterung unterzog. Eines Tages, wenn sie nicht mehr aussähe wie ein kleines Kind, wäre sie sicher eine wunderschöne Frau.
Doch schon im nächsten Moment war die Objektivität wieder verschwunden, und alles, was er sehen konnte, war jemand, der ihn viel zu oft an seinen kleinen nervtötenden Bruder erinnerte.
Er biss die Zähne aufeinander und erklärte mit einer Gehässigkeit, von der er hoffte, dass sie ihn dafür hassen würde: »Nächstes Mal solltest du vorher deine Hausaufgaben machen. Du wirst wie ein Profi bezahlt, also fang endlich an, dich wie einer zu benehmen.«
Sie atmete zischend ein, als hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst.
In ihren Augen begann es zu glitzern, und ihre Unterlippe bebte.
Ihre Verletztheit tat ihm in der Seele weh.
Der Regisseur ergriff das Wort. »Nahaufnahme von Janie.
Weitere Kostenlose Bücher