Dinner für eine Leiche
Weiter hinten lag das Wohnzimmer.
Steve erzählte ihr, dass im Obergeschoss zwei Schlafzimmer und ein Bad waren. »Kannst du später ausprobieren.«
Wieder dieses kesse Grinsen.
Zu diesem Zeitpunkt sollte eigentlich eine üppig gerundete |277| Dame in reiferen Jahren kalte Füße bekommen. Schlafzimmer testete man wirklich am besten im Schutze der Dunkelheit.
Vielleicht war ihre Nervosität so deutlich zu sehen, vielleicht war Steve selbst auch aufgeregt. Sie war ja nicht eine seiner Kolleginnen, die er einmal unverbindlich einlud. Sie hatten so was wie eine echte Beziehung – bei der Arbeit und auch sonst.
Ein Gespräch über die Arbeit verschaffte ihnen beiden ein wenig Luft.
Während Honey den Salat wusch und vorbereitete, gab Steve einen Spritzer Olivenöl an die Nudeln und einen guten Schluck Valpolicella an die Soße.
»Den Rest trinken wir«, meinte er und schenkte zwei Gläser randvoll.
Honey beäugte die großzügig bemessene Menge misstrauisch. »Na ja, das ist jedenfalls mehr als die vom Arzt empfohlene tägliche Höchstmenge.«
Steve reichte ihr ein Glas. »Damit kommst du schon klar. Du kommst mit mehr klar, als du glaubst. Prost.«
Sie schauten einander in die Augen, als sie den ersten Schluck tranken. Der Wein rollte Honey samtig und rund über die Zunge. Sie waren einander so nahegekommen. Viel zu nah. Honeys Nerven lagen blank. Nur noch ein bisschen mehr Zeit … Wie ein Tennisprofi in Wimbledon ergriff sie die Initiative und entschied sich für einen sicheren Return.
»Also! War auf dem Video aus der Überwachungskamera irgendwas zu sehen?«
»Auf der vom Beau Brummell?« Er schaute weg. »Nein. Hauptsächlich lag es daran, dass die Kamera in den ersten Morgenstunden nicht angeschaltet war.«
Honey schaute verdutzt. Ihre Nervosität hatte sich gelegt. »Bist du da ganz sicher?«
»O ja.«
»Auf dem Video hätte man den Mörder gesehen! Ich frage mich, wo es wohl sein mag.«
|278| Er schüttelte den Kopf, während er in der Soße rührte. »Du hörst mir nicht zu, Honey. Sie sehen sich die Videos jeden Abend an und heben sie eine Woche lang auf. Aber für die Zeit zwischen ein und sechs Uhr morgens waren keine da – für die ganze Woche nicht. Die Kamera war nicht an.«
Das Bild von einem Kopfkissen und einem zusammengerollten Schlafsack trat Honey vor Augen. »Der Wachmann hat in der hinteren Toilette geschlafen.« Sie erklärte Steve, dass sie sich an dem Tag, als er Stella Broadbent befragt hatte, ihre verletzte Wange gewaschen und die beiden Gegenstände dort gesehen hatte.
»Aber Francis hat doch ausgesagt, dass ein Wachmann im Dienst war, als er sich ins Hotel zurückschlich.«
Steve hielt ihr einen Holzlöffel hin und ließ sie die Soße kosten.
»Und das heißt, dass er entweder vergessen hatte, die Kamera einzuschalten …«
»Oder«, fuhr Honey fort, nachdem sie genüsslich die heiße Soße geschlürft hatte, »dass es einen zweiten Wachmann gab.«
Steve nahm noch einen Schluck Wein. »Wie gesagt, hier wimmelt es nur so vor Leuten in Verkleidung.«
Honey nickte. »Ja, sogar vor als Hühnerfleisch verkleidetem Schweinefleisch.«
»Wie bitte?«
»Und vor osteuropäischen Lastwagenfahrern …«
Honeys Stimme verklang. Ihr Hirn machte Überstunden. »Was hat meine Mutter noch gesagt?«
Auch Steve sah nachdenklich aus. Honey tippte, dass er wahrscheinlich auf der gleichen Fährte war wie sie.
»Bargeld hat beim Lagerhaus den Besitzer gewechselt«, flüsterte er. »Und wer oder was ist SAP?«
Honey schaute ratlos. »SAP?«
»Das stand in einem Notizbuch, das wir bei Richard Carmellis Sachen gefunden haben.«
|279| Plötzlich war jedes Verlangen, kopfüber mit Steve ins Bett zu hüpfen, verflogen. Dass sie so zerfleddert aussah und die falsche Handtasche mit sich herumschleppte, schien nun prächtig zum Anlass zu passen. Heute Abend stimmte einfach rein gar nichts.
»Ich dachte, wir wollten alle Informationen zum Fall miteinander teilen.« Sie war verletzt, und ihre Stimme klang auch so.
»Wir haben uns gedacht, es könnten vielleicht Sylvester Pardoes Initialen sein. Außer dass er keinen zweiten Vornamen hat.«
»Das ist kein Name, das ist ein Computerprogramm!« Honey stellte ihr Glas ab und griff zum Telefon. Mary Jane meldete sich. Honey knurrte ein paar ungeduldige Worte und verlangte, dringend Lindsey an den Apparat zu bekommen.
»Wie heißt das Programm, das große Unternehmen auf ihren Computern benutzen?«
»SAP.«
»Kommen wir in so ein Programm
Weitere Kostenlose Bücher