Dinner für eine Leiche
Europa. Viele aus Osteuropa. Er hat dort auch eine Fabrik, müssen Sie wissen. Man nennt das wohl einen Verarbeitungsbetrieb. Er hat nie viel drüber geredet, aber ich habe aufgepasst.« Sie nickte nachdrücklich, und es trat ein harter Glanz in ihre Augen. »Ich habe beobachtet, wie Bargeld den Besitzer wechselte. Einer der Fahrer hat große Töne gespuckt. Er hat irgendeine Fremdsprache gesprochen, aber ich habe ein paar englische Brocken aufgeschnappt. Roland weiß nicht, dass ich das mitgehört habe. Ich sollte im Auto sitzen bleiben.«
Steve stützte die Ellbogen auf die Knie, verschränkte die Hände unter dem Kinn und schaute Gloria unverwandt an. »Was genau wurde gesagt?«
Steve konnte mit seinen Augen wahre Wunder bewirken. Zunächst |272| einmal verspürte Honey einen unwiderstehlichen Drang, alles zu gestehen – nicht dass sie viel zu gestehen hätte. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. War das nur wirres Zeug oder war sie auf der richtigen Fährte? Eine einzige Person konnte ihr diese Frage beantworten. Während Steve weiter mit ihrer Mutter redete, rief sie bei Casper an.
Neville kam an den Apparat. Sie erklärte ihm, dass sie mit Casper sprechen wollte.
»Er ist im Bad.«
Was war nur mit diesem Mann?
»Der wäscht sich den ganzen natürlichen Säuremantel von der Haut.«
»Ich glaube dieses Argument wird ihn nicht sonderlich beeindrucken«, erwiderte Neville. »Er denkt in der Wanne viel nach.«
»Es geht einfach nicht anders. Ich muss seine Gedankengänge mal kurz unterbrechen. Bitten Sie ihn, seinen Schwamm beiseite zu legen und sich zu konzentrieren.«
»Das liegt durchaus im Bereich der Möglichkeiten«, tönte Neville. »Fragen Sie mich, und ich frage dann ihn.« Neville benahm sich wie eine Bulldogge, die das Territorium ihres Herrchens verteidigte – in diesem Fall das Badezimmer. In Wirklichkeit lag seine Begabung eher auf dem Gebiet des Blumenarrangierens und der Inneneinrichtung.
»Könnten Sie ihn fragen, ob er die erste Wahl als Vorsitzender der Jury bei dem Wettbewerb war, den Oliver Stafford gewonnen hat, oder ob er nachgerückt ist?«
Neville hüstelte nervös. »Ich glaube nicht, dass man das exakt so formulieren sollte.« Irgendetwas an seiner Antwort ließ sie ahnen, dass sie voll ins Schwarze getroffen hatte.
»Und, ist er oder ist er nicht?«
Neville senkte die Stimme. »Na ja … so war es … in gewisser Weise. Einige meinten, er habe einen viel zu verwöhnten und kritischen Gaumen für ein solch kommerzielles Unterfangen. |273| Sie wissen natürlich, dass unser Chefkoch Jean Pierre sich nicht an dem Wettbewerb beteiligt hat?«
Selbstverständlich wusste sie das. Jean Pierre war der Ansicht, dass ein Koch, der kein Franzose war, überhaupt keiner war. Die Teilnahme an Wettbewerben kam in seinem Lebensentwurf nicht vor.
»Wer sollte denn zunächst der Vorsitzende der Jury sein?«
Nevilles abgrundtiefer Seufzer erschallte aus dem Hörer. »Sylvester Pardoe. Er hat ein eigenes Restaurant und Hotel in Oxford. In letzter Minute hat jemand darauf hingewiesen, dass er zu viele der Teilnehmer kannte, um unparteiisch zu sein. Also hat Casper die Leitung übernommen. Ist das alles, was Sie wissen wollten, oder muss ich Casper doch noch stören?«
Das war nun nicht mehr nötig. Die einzige Person, die Sylvester hatte warnen können, war Richard Carmelli. Oder vielleicht Smudger?
»Können Sie mir sagen, wer den Hinweis gegeben hat?«
»Nein. Keine Ahnung. Irgendjemand, der ein Interesse am Ausgang des Wettbewerbs hatte?«
Sie dankte ihm und beendete das Gespräch. Sie wusste, dass ihre Augen leuchteten. Das konnte sie sehen, indem sie einfach zu Steve schaute. Dessen Augen strahlten ebenfalls, weil er begriffen hatte, dass sie etwas Wichtiges erfahren hatte.
»Sylvester Pardoe sollte im BISS-Wettbewerb Preisrichter sein.«
Steve, der sehr zufrieden ausgesehen hatte, weil er sich größere Neuigkeiten erhofft hatte, schaute sie fragend an. »Das wissen wir doch schon …«
»Augenblickchen.«
Honey drückte eine vertraute Taste auf ihrem Telefon. Smudger meldete sich.
»Was für ein Gericht hat Oliver Stafford bei dem Wettbewerb gekocht?«
»Was mit Huhn, genau wie wir alle.«
|274| »Ganze Hühnerbrüste oder geschnittene?«
»Hm.« Smudger überlegte. »Für sein Gericht wurden Hühnerbrüste in Streifen geschnitten. Ich glaube, es war eine Art Variante von Chicken à la King 1 , wenn auch nichts so Ordinäres . Trotzdem war es was ziemlich Gewöhnliches«, fügte
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