Dinner für eine Leiche
über der Brust mit roten Knöpfen verziert war. Die Hose war rot, passend zu ihren Zehennägeln und ihrem Lippenstift.
Mit Augen, die vom edelsten Lidstrich umrahmt waren, den Estée Lauder liefern konnte, musterte sie Honey. »Du siehst ja schrecklich aus.«
Honey wagte es nicht zu lächeln. Sonst wären ihr sämtliche Gesichtszüge entgleist. Kleider eine Katastrophe, Miene finster. »Das war keineswegs meine Absicht. Als ich aus dem Haus gegangen bin, sah es noch sehr gut aus.«
Ihre Mutter schaute noch immer entsetzt. »Wer war das?«
»Ein Auto ist durch eine tiefe Pfütze gefahren.«
Gloria reichte ihr ein Riesenglas Sherry. Honey wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen und kippte das Zeug in einem Schluck herunter. Wie Steve fand sie das Getränk zu süß und zu klebrig. Das wusste ihre Mutter. Honey hatte es ihr oft genug gesagt. In die gleiche Kategorie fiel Lebertran. Den hielt ihre Mutter für gesund. Normalerweise war sie völlig gegen Alkohol, aber aus einem unerklärlichen Grund wurden Sherry und Portwein nicht dazu gezählt. Bisher jedenfalls. Allerdings hatte sich da dank Roland Mead in letzter Zeit ohnehin einiges geändert.
»Du könntest bestimmt noch einen vertragen.«
Die dunkle Flüssigkeit rann wie Öl ins Glas.
»Trink aus.«
Honey konnte sich gerade noch eine angewiderte Grimasse verkneifen, gab aber nach. Diesmal nippte sie nur an ihrem Sherry, wollte den dritten, den Gloria ihr wahrscheinlich einschenken würde, möglichst lange herauszögern.
|270| Steve trank Orangensaft. Wie sie ihn beneidete!
Ihre Mutter war verstummt, hielt die Augen gesenkt und hatte die Lippen zusammengekniffen.
»Trinkst du keinen mit?«, fragte Honey sie.
»Aber sicher!« Aus ihren Gedanken gerissen, griff Gloria nach der Karaffe.
»Sie gestatten«, sagte Steve.
Gloria zog eine sorgfältig gezupfte Augenbraue in die Höhe und schaute überrascht, dass jemand, der offensichtlich etwas gegen das Rasieren hatte, ein so vollendeter Gentleman sein konnte.
»Sagen Sie halt«, forderte Steve sie auf.
»Halt« wurde erst gerufen, als die dunkelrote Flüssigkeit nur noch eine Haaresbreite vom oberen Rand des Glases entfernt war.
Honey wechselte einen verwunderten Blick mit Steve. Dann sah sie zu ihrer Bestürzung, wie ihre Mutter das Glas mit einem Zug leerte. Roland Mead war daran schuld, dass eine wildfremde Frau – eine Trinkerin – in den Körper ihrer Mutter transplantiert worden war!
»Also dann!«, sagte Gloria Cross und stellte mit einer entschlossenen Geste das Glas wieder auf dem Tablett ab. »Jetzt wollen wir mal dreckige Wäsche waschen! Das wird dir noch leid tun, dass du mich so geärgert hast, Roland Mead!« Sie hielt dem fragenden Blick ihrer Tochter stand und fuhr fort. »Ich wusste es doch, dass ich niemals einem Mann mit Tätowierungen hätte trauen sollen.« Sie kniff die Augen zusammen. »Meine Mutter hat mich immer vor Männern mit Tätowierungen gewarnt, besonders wenn sie versteckt sind.«
Honey spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Hatte ihre Mutter wirklich gesagt, was sie gehört hatte? Bei Roland Mead waren ihr nie Tätowierungen aufgefallen, zumindest nicht auf einem
sichtbaren
Körperteil …
Sie schaute Steve überrascht an, und beide kamen sie zur gleichen Schlussfolgerung.
|271| Ihre Mutter beugte sich weit – sehr weit – zu Steve hinüber, dem Mann, der sich ihrer Meinung nach wirklich nicht genug rasierte. Ihre Augen wurden ganz schmal. »Also, erst einmal fahren da in dem Tiefkühllager in Avonmouth die Ausländer ein und aus, mit Lieferwagen und LKWs. Liebe Güte, das Ding sollten Sie sich mal ansehen. Das muss ihn ein kleines Vermögen gekostet haben. Er redet über nichts anderes. Und dann all die Lieferwagen, die er hat. Dieses Jahr allein hat er zwölf neue gekauft! Können Sie sich das vorstellen?«
Steve schaute nachdenklich. »Ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinauswollen.«
»Das ist doch sonnenklar«, krähte Gloria und warf ihm einen scharfen Pensionärsblick zu. »Ich weiß so was besser als Sie. Er hat sich finanziell übernommen und kürzt jetzt hier und da das Verfahren ein bisschen ab, damit ihm seine Bank keinen Ärger macht. Deswegen importiert er so viel vom Kontinent. Das Zeug ist billig, und hier verkauft er es teuer. Aber darüber hält er sich ziemlich bedeckt. Ich hab’s trotzdem rausgekriegt. Hab einfach zwei und zwei zusammengezählt.«
»Wo kommen die Lastwagen her?«
Gloria überlegte. »Aus ganz
Weitere Kostenlose Bücher