Dinner für eine Leiche
Straßenecke bog, auch erst nur diese Brüste, bis endlich der Rest folgte.
|143| Die Dame steckte bis zum Ellbogen im Hinterteil eines quietschgelben Hühnerkostüms und wühlte darin herum. Als sie hörte, dass die Tür aufging, schaute sie auf.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Honey musterte das Huhn. »Was für eine Füllung machen Sie?«
Der steinernen Miene nach zu urteilen, hatte Andrea Andover nie als Double für Humor gearbeitet.
»Ich nähe den Schwanz wieder an«, erwiderte sie in einem Tonfall, der perfekt zu ihrem Gesichtsausdruck passte. »Die Leute machen schon seltsame Sachen, wenn sie kostümiert sind. Ich denke ja, dass das Fernsehen dran schuld ist.«
Honey zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. Das war ein bisschen dick aufgetragen, vor allem, wenn man bedachte, dass die Dame in Hollywood gearbeitet hatte. Aber sie war ja nicht hier, um über solche Dinge zu diskutieren.
Während sie weiter nähte und stopfte, blieben Andrea Andovers stahlharte Augen unverrückt auf Honey gerichtet. Diesen Blick nur »unangenehm« zu nennen wäre wirklich eine Untertreibung gewesen. Honey ertappte sich dabei, dass sie sich das Hirn zermarterte, ob sie je ein Hühnerkostüm geliehen und beschädigt hatte. Dabei wusste sie nur zu genau, dass dem nicht so war.
Ihr Verstand schaltete sich wieder ein.
»Ich suche einen Mann, der vielleicht bei Ihnen ein afrikanisches Kostüm ausgeliehen hat. Ein Massai-Kostüm, wissen Sie, so Felle und rote Wolle und bunte Perlen.«
»Ja.«
»Er ist etwa eins achtzig, Afrikaner, spricht gutes Englisch. Er hat mir gesagt, dass er Obediah heißt.«
Das Hühnerkostüm lag unbeweglich da. Andrea Andover hatte aufgehört, daran zu arbeiten, hatte ein Auge zugekniffen und musterte Honey mit dem anderen.
»Ich habe dem Blödmann gesagt, er soll’s sein lassen. Das |144| war eine zu ernste Sache, so zu tun, als wäre man jemand, den eine Frau im Suff geheiratet hatte. Wäre was anderes, wenn es eine Party oder so gewesen wäre. Da weiß doch jeder, dass es nur ein Scherz ist. Aber so war dieser Auftrag nicht gemeint. Ich hab ihm gesagt: ›Francis, der Typ, der dich dafür bezahlt, führt nichts Gutes im Schilde.‹ Das war ein übler Streich. Die Frau hatte ein Problem, und der Kerl, der Francis so viel Geld dafür gegeben hat, hat es aus purer Boshaftigkeit gemacht, nicht zum Spaß.«
Obediah hieß also in Wirklichkeit Francis. Und es hatte ihm jemand viel Geld dafür geboten, sich mit diesem dämlichen Kostüm zu verkleiden. Da stellte sich die Frage, welche Rolle Stellas Demütigung bei ihrer letzten Sauftour und ihrer rasenden Fahrt ins Jenseits gespielt hatte.
»Wie viel hat er dafür gekriegt?«
»Fünfhundert Pfund plus Spesen. Ich habe nur fünfundsiebzig für das Kostüm verlangt – ist ja eigentlich nicht viel dran, meine ich, nur ein bisschen Fell, Halsschmuck, Armreifen und so.« Sie legte den Kopf auf die Seite und schloss wieder ein Auge. Das andere schaute ganz nachdenklich.
»Es war ein Scherz und dann wiederum doch keiner. So war es wohl gemeint. Irgendwie komisch, aber zugleich auch traurig.« Sie zuckte die Achseln und nahm das Hühnerkostüm wieder zur Hand. »So hab ich’s jedenfalls gesehen.«
»Francis. Wissen Sie, wo er wohnt?«
Andrea nickte. »Klar. Ich habe seine Visitenkarte.«
Sie schob das Hühnerkostüm zur Seite, zog mit ihren Patschhändchen eine kleine Rollkartei heraus und reichte Honey eine schlichte weiße Karte, auf der mit schwarzen Blockbuchstaben stand: Francis Trent. Schauspieler. Imitator. Spezialität: Kissogramme.
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|145| Kapitel 15
Ehe Honey Batheaston verließ, tippte sie die Nummern in ihr Handy ein. Bei der Telefonnummer von der Visitenkarte ging niemand an den Apparat. War Francis Trent in Urlaub gefahren, schauspielerte er, imitierte er oder brachte er gerade irgendeinen Unglückseligen in peinliche Verlegenheit, dessen Freunde sich gedacht hatten, es wäre doch ein Riesenspaß, wenn er sich mal vor ihnen blamierte?
Sie rief Steve an und erzählte ihm, was sie herausgefunden hatte.
»Wir müssen mit dem Mann reden. Das könnte eine ernste Sache sein.«
»Ich verstehe.« Sie sagte ihm, sie würde ihn später besuchen. Jetzt hatte sie nichts mehr vor, als wieder nach Hause zu fahren.
Sie hatte in der Stadt ihr Auto gerade auf einem Parkplatz abgestellt, der in der Nähe ihres Hotels lag, und ging auf die Ausfahrt zu. Da surrte etwas. Honey schaute hoch. Das rote Licht einer Sicherheitskamera blinkte auf.
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