Dinner für eine Leiche
Verwöhn dich.
Ja, ein schönes Vollbad wäre jetzt genau das Richtige. Nachdem sie sich ausgezogen hatte, musterte sie sich im großen |151| Spiegel. Sah sie nackt gut aus? Das Licht war hell, der Spiegel unbarmherzig, die Wahrheit eher unangenehm.
»Darüber sind sich die Experten noch nicht ganz einig«, murmelte sie vor sich hin. Da war der Anblick plötzlich sehr viel besser geworden. Inzwischen plätscherte nämlich das heiße Wasser in die Wanne, der Spiegel war beschlagen und ihr Abbild ganz verschwommen. Eine fantastische, sehr positive Entwicklung!
Konnte sie zwei Portionen Coquilles Saint-Jacques mit allen Beilagen verputzen und eine ganze Flasche Chardonnay allein trinken? Diese Aussicht schüchterte sie nicht im Geringsten ein. Jetzt konnte das Trostessen losgehen.
Honey ließ sich in das warme Wasser sinken, lehnte den Kopf an den hohen Rand. Die Badwanne stammte aus viktorianischen Zeiten, hatte Löwenfüße und bot Platz genug für zwei. Langsam besserte sich ihre Laune.
Allerdings war es noch immer kein sonderlich angenehmer Gedanke, dass sie heute Abend allein sein würde. Genauso unangenehm würde es sein, Smudger zu sagen, dass das ganz besondere Abendessen ausfiel. Sein Ego war immer noch angekratzt. Da wollte sie ihn nicht gleich wieder verärgern.
Ihre Augen wanderten zum Handy, das neben der Wanne lag. Sie nahm es und tippte Steve Dohertys Nummer ein. Zwei Morde. Da hatte er allerlei zu tun, aber ein schönes Essen und eine freundlich gestimmte Frau, das konnte er doch sicher noch irgendwie unterbringen?
»Ich bin heute Abend ganz allein zu Haus, und mein Koch macht mir ein sehr spezielles Essen für zwei.«
»Ich komme gegen zehn.«
Mit einem freudigen Jauchzer tauchte Honey unter die Oberfläche. Geschafft!
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|152| Kapitel 16
Steve lehnte lässig am Rahmen, als sie die Tür aufmachte. Eine Hand lag locker an der Stirn, der blaue Schlips war lose geknotet. Nach seinen Bartstoppeln zu urteilen, hatte er sich tagelang nicht rasiert – auch keine Riesenüberraschung. Er strich sich mit der Hand über das Kinn. Die Stoppeln kratzten wie Schmirgelpapier. Hörbares Testosteron. Honey bekam weiche Knie.
Er sah müde aus, aber sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. »Du hast nicht gesagt, ob es ein Anlass für einen schwarzen Anzug mit Schlips ist, aber ich habe immerhin eine blaue Krawatte aufgetrieben.«
Bei diesem Lächeln war es ihr schon kurz nach ihrer ersten Begegnung warm ums Herz geworden. Beim geringsten Anlass könnte ihr noch viel wärmer werden, eigentlich sogar ziemlich heiß. Bis jetzt war nur nicht die richtige Zeit gekommen. Aber das würde sich ändern. Und zwar sehr bald.
Der Tisch war gedeckt, das Essen fertig.
Während Honey den ersten Gang auftrug, erzählte sie Steve etwas mehr über ihren Besuch beim Kostümverleih in Batheaston. Er hörte zu und kümmerte sich um den Wein.
»Aber es ist niemand rangegangen, als du angerufen hast«, meinte er und gähnte herzhaft.
»Nein.«
Sie stießen an. »Ich wollte dich auch noch fragen, ob sie im Beau Brummell Hotel Sicherheitskameras haben.«
Er nickte. »Ja, aber die sind sehr gut versteckt. Die Hängegeranien spielen auf den Videos eine Hauptrolle.«
|153| Sie nippte an ihrem Wein. »Ach, nicht der bunte Efeu?«
Er grinste. »Der auch. Wir haben die Bänder auf der Wache. Der Sicherheitstyp ist nicht sicher, ob die Anlage an dem Abend funktioniert hat. Wir werden die Videos genau überprüfen. Der Wachmann hat irgendwas von Wartung gemurmelt.«
Sie setzten sich zum Essen hin.
»Es gab jedenfalls eine Hasskampagne, die sich gegen die Besitzerin und den toten Koch richtete«, erzählte Steve und umfasste sein Weinglas vorsichtig mit beiden Händen. »Vor einigen Monaten hat jemand, der mit der Rechtschreibung nicht so viel im Sinn hatte, Stella Broadbents Auto mit Graffiti besprüht.«
Honey bemerkte die Belustigung auf seinem Gesicht und wusste, dass er ihr das gleich erklären würde.
»SCHEIS – mit einem S – KUH in Lila und Grün. Mit dem Auto des Chefkochs ist es ähnlich gewesen. Einige Autos von Gästen hatten platte Reifen, Busunternehmen bekamen falsche Wegbeschreibungen – obwohl das auch Zufall gewesen sein kann –, aber die Ratte im Vorratsraum und die Küchenschaben in dem Sack mit Reis, die waren ein bisschen verdächtig.«
Honey verzog das Gesicht. »Aber den Chefkoch umzubringen, das war dann doch ein bisschen übertrieben. Zu viel Hass. Und was ist mit Brian
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