Dinner für eine Leiche
»Als kleines Dankeschön.«
Honey nickte eifrig. »Ich habe sie gesehen. Sie sind herrlich«, rief sie. Sie spürte seine Verlegenheit. »Wir bekommen nicht oft so wunderbare Dankesbezeugungen. Das ist wirklich und wahrhaftig wunderbar.«
Sie konnte nichts machen, ihr Lächeln wurde immer breiter und dämlicher, und all die Worte purzelten ihr einfach aus dem Mund. Sie konnte es nicht verhindern, dass sie hier tat, als sei die bloße Rückgabe einer abgelegten Kochmontur das tollste Ereignis ihres Lebens. Lindsey war in Sicherheit, und von Richard Carmelli war nirgends auch nur eine Spur zu sehen.
Honey stieß einen erleichterten Seufzer aus. Mary Jane hatte offensichtlich alles gründlich missverstanden.
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|221| Kapitel 25
Im Schutze der Dunkelheit fuhr Richard Carmelli durch Larkhall zu der Garage, in der er sein Motorrad abgestellt hatte. Mit dem Motorrad würde er wohl eine bessere Chance als im Auto haben.
Die Straßenlaternen spiegelten sich in der schwarzen Stromlinienverkleidung der Maschine und im Chrom der Karosserie. Er überprüfte den Tank. Voll. Dann nahm er den Helm von seinem üblichen Platz auf der Werkbank und setzte ihn auf.
Nachdem er auch die Lederhandschuhe angezogen hatte, rollte er das Motorrad aus der Garage, stieg auf und drehte den Zündschlüssel. Der starke Kawaski-Motor sprang an und schnurrte leise. Richard klappte das Visier über die Augen und drehte am Gashebel. Aus dem Schnurren wurde ein Röhren. Er fuhr in die Richtung, aus der er gekommen war, raste über die M4, bog dann auf die M5 ein und erreichte schließlich die Ausfahrt Avonmouth.
Tagsüber waren die Autobahnen überfüllt. Aber zu dieser frühen Morgenstunde war der Weg frei. Die Räder fraßen die Meilen nur so. Am St. Andrew’s Way entlang standen Industriegebäude mit Flachdach, Verkaufsstätten für Autoreifen, Hydraulikschläuche und gebrauchte Büromöbel. Nur das wässrige Orange der Straßenlaternen beleuchtete Carmellis Fahrt. Ab und zu kamen noch die Lichter der 24-Stunden-Tankstellen hinzu. Leuchttürme in der schlafenden Stadt.
Richard zweigte in Richtung der Docks ab und raste nun an den öden Metallwänden der Fertigbau-Lagerhäuser vorüber. Vor ihm fuhr ein Lastwagen mit tschechischem Nummernschild. |222| Richard schaute nur kurz auf. Er wusste ziemlich genau, was darin transportiert wurde und wohin der LKW unterwegs war. Sie hatten beide das gleiche Ziel.
Irgendwo musste er ein Versteck für sein Motorrad finden. Rechter Hand sah er eine Buchsbaumhecke und einen robusten Zaun, der ein Trafohäuschen umgab. Links lag ein leerer Fabrikhof vor einem verdunkelten Gebäude – leer bis auf zwei große Müllcontainer. Wie die meisten anderen Grundstücke in diesem Industriebezirk hatte man auch dieses in den sechziger oder frühen siebziger Jahren bebaut. Jetzt wurde hier renoviert.
Carmelli hielt sich links und fuhr zwischen den beiden Metallcontainern hindurch. Der Lastwagen war auf der Straße ein Stück weitergefahren und ins nächste Grundstück eingebogen. Mit dem Fahrerhaus war er bereits auf dem Gelände, der Auflieger war rechtwinklig dazu abgewinkelt.
Geduckt schlich Richard auf die Seitenmauer des Lagerhauses zu. Wie alle anderen Gebäude ringsum war auch dieses aus Metallplatten errichtet, ein moderner Bau, so konstruiert, dass er keine Wartung brauchte. Die Geräusche des bremsenden und anhaltenden Lastwagens vermischten sich mit dem Brummen der Kühleinheiten über Richards Kopf.
Immer noch tief geduckt, schlängelte sich Richard durch eine Lücke im Gitterzaun. Jetzt war das Fahrerhaus des LKWs nur noch wenige Meter von ihm entfernt. Der Fahrer stieg zur linken Tür aus. Es war also kein britischer Lastwagen mit Rechtssteuerung.
Carmelli zog sein Handy heraus und machte rasch eine Aufnahme von der Aufschrift auf der Seite des Wagens. Da stand R. W. Mead Internationale Fleischlagerhäuser. Er fügte den Text »Überprüf das mal« hinzu und schickte es als SMS an Smudger. Er war sich sicher, dass sein Freund, der schließlich auch Koch war, verstehen würde, was er meinte. Dann fragte er sich, warum er das wohl gemacht hatte. Warum wollte er es nicht selbst überprüfen?
|223| Er schlich weiter, den Gitterzaun im Rücken, immer noch so tief geduckt, wie er nur konnte, und lauschte. Zwei Männer kamen aus dem Lagerhaus. Ein Gespräch wurde hin und her geführt, zumeist auf Englisch. Er strengte sich an, um zu hören, was gesprochen wurde. Er musste es riskieren, näher an
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