Dinner für eine Leiche
reagierte mit einem so starken Krampf darauf, dass sie fürchtete, auf den Teppich zu kotzen.
Lindsey, die genau in diesem Augenblick vorbeikam, lenkte sie ab. Sie war eine echte Augenweide in ihrem weißen Trainingsanzug mit den rosa Paspeln.
»Vielleicht kann Lindsey …«
Der Schreck ihrer Tochter spiegelte sich auf ihrem Gesicht. »Ich muss ins Fitness Studio, bin da verabredet.«
Honey überlegte, ob sie vielleicht auch mal die Schuldkarte ausspielen könnte. Nein. Gewisse genetisch bedingte Eigenschaften züchtete man am besten raus.
»Wo bist du denn?«, hörte sie sich fragen, nachdem sie ihrer Tochter einen schönen Tag gewünscht hatte.
|230| »Hier. Schau doch mal.« Gloria stand draußen vor der Hoteltür und schwenkte ihr Handy in der Luft. »Ich habe mir ein neues Telefon zugelegt. Dazu gibt es viele verschiedenfarbige Hüllen. So kann ich es immer mit meiner Kleidung abstimmen.«
Die Tür ging auf. Wenn
Vogue
je ein Magazin für über Fünfundsechzigjährige machte, würde ihre Mutter drin vorkommen. Abgestimmte Farben hatten bei Gloria höchste Priorität. Sogar ihre Staublappen und Geschirrtücher waren farblich abgestimmt – nicht, dass sie sie benutzt hätte. Sie hatte eine »Hilfe«, die ins Haus kam, um solche Arbeiten zu erledigen.
Mary Jane »half aus«. Honey hatte sie gebeten, den Ständer mit den Broschüren nachzufüllen und allgemein aufzuräumen. Das hielt sie zumindest vom Restaurant fern und vor allem vom Telefon.
Honey strich sich den Rock glatt und zog die Bluse zurecht. Ein Besuch ihrer Mutter hatte immer diese Wirkung auf sie. Sie bemerkte an einem Ärmel einen Fleck in Krabbenrosa. Sie zupfte ihn so zurecht, dass man ihn nicht sah.
»Na, wo ist denn heute dein Märchenprinz?«, fragte sie ihre Mutter.
»Der Rolls-Royce ist in der Werkstatt. Es muss irgendwas am Pleuelfuß oder so repariert werden – irgendwas Mechanisches jedenfalls«, sagte sie und wedelte wegwerfend mit der Hand. »Also haben wir beschlossen, uns den Abend frei zu geben.« Glorias Augen funkelten, und ihre Lippen, die augenblicklich mit Lippenstift und Konturenstift in der Farbe »Per fect Peach« leuchtend bemalt waren, verzogen sich zu einem Verschwörerlächeln. »Aber ich habe mir gedacht, ich gehe trotzdem mal zu ihm hin und überrasche ihn. Sieh mal, ich bin bestens vorbereitet.« Sie zog eine Flasche Champagner, eine Dose Kaviar und eine Packung Luxuskekse aus einer Tragetüte. »Marks and Spencer, ist das nicht einfach ein göttliches Kaufhaus?«
|231| Honey dachte nicht an den Inhalt der Tüte. In ihrem Kopf schrillten die Alarmglocken.
»Mutter, willst du dir das nicht lieber noch einmal überlegen?«
Das mit allerfeinster Grundierung sorgfältig geschminkte Gesicht verzog sich, und ein misstrauischer Ausdruck erschien in Glorias Augen.
»Wieso?«
Honey brachte es nicht übers Herz, zu sagen, was sie wirklich dachte. Dass nämlich Roland vielleicht versuchte, ihre Mutter langsam aber sicher abzuservieren. Womöglich hatte Lindsey recht, und er war wirklich nur auf den Fleischliefervertrag für das Hotel aus gewesen. Im Fleischgeschäft ging es ziemlich halsabschneiderisch zu, nicht nur im wortwörtlichen Sinn. Aber es nutzte alles nichts. So etwas konnte sie einfach nicht sagen.
Sie zuckte die Achseln. »Na ja, Roland möchte ja möglicherweise tatsächlich einmal einen Abend frei haben. Du weißt schon, Haare waschen und so.«
Honey wand sich vor Verlegenheit. Das war eine furchtbar lahme Erklärung.
»Dann wasch ich ihm den Kopf. Ich spiele gern mit Männerhaaren.« Gloria zwinkerte und schnalzte mit der Zunge.
Die Deutungsmöglichkeiten für diese Aussage waren unendlich. Honey freundete sich widerwillig mit dem Gedanken an, dass sich die Hormone ihrer Mutter noch nicht verabschiedet hatten. Daran gab es keinen Zweifel.
»Na gut. Ich bitte Anna, den Empfang zu übernehmen.«
Mary Jane, die mit dem Sortieren ihrer Broschüren fertig war und aufmerksam zuhörte, stellte sich Honey in den Weg, ehe sie fliehen konnte.
»Ich habe gleich eine Sitzung mit Tischrücken bei der Gesellschaft für Übernatürliche Entwicklung im College. Könnten Sie mich vielleicht auch mitnehmen?«
|232| »Wie könnte ich da widerstehen?«
Auf der Fahrt plapperten die beiden Seniorinnen fröhlich auf dem Rücksitz, größtenteils über die Herren der Schöpfung, wenn auch Mary Jane wie gewohnt eher die weniger handfeste Sorte Mann ins Gespräch brachte.
»Ich nehme an, dass Sir Cedric und Ihr
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