Dinner für eine Leiche
teurer Verblichener auf der anderen Seite bereits Bekanntschaft geschlossen haben«, meinte Mary Jane. »Ich denke, sie haben ja einige Gesprächsthemen gemeinsam.«
Gloria schaute sie böse an. »Themen? Na, ich denke wohl eher Schlampen! So ist nämlich mein Exmann gestorben, auf einer Schlampe!«
»Mutter, er war mit ihr verheiratet.« Honey wusste, dass ihr Einwand keinerlei Eindruck machen würde.
»Immer verteidigst du ihn!«, knurrte Gloria, und ihre Augen funkelten vorwurfsvoll.
»Er war mein Vater. Und sie war seine Frau – irgendwann später.«
»Ja. Irgendwann später, genau! Ganz in Weiß, obwohl er sie schon seit Monaten bumste. Ist zum Altar geschwebt wie eine wiedergeborene Jungfrau.«
Mary Jane tätschelte beim Aussteigen Glorias Hand. »Das Leben ist viel zu kurz für solche Bitterkeit, Gloria. Irgendwann müssen Sie doch etwas für den Mann empfunden haben.«
Gloria blaffte wie eine Bulldogge.
Unbeirrt gab ihr Mary Jane einen Klaps auf die Schulter. »Macht nichts, Mädel. Was meinen Sie, soll ich Ihren Ex-Ehemann bitten, heute mal am Tisch zu rücken? Was soll ich ihm von Ihnen ausrichten?«
Glorias Stirn war so dunkel umwölkt wie das Bodmin-Moor im Winter. »Sagen Sie ihm, dass ein bisschen Tischrücken so ungefähr alles ist, was er je in Bewegung gebracht hat. Für mich hat jedenfalls mit ihm nie die Erde gebebt.«
|233| Glorias Stimmung hatte sich in dem Augenblick aufgehellt, als niemand mehr neben ihr saß und sie daran erinnerte, dass ihr Mann sie wegen einer doofen Blondine mit Barbiefigur verlassen hatte. Die Vergangenheit war tot und begraben. Gloria keineswegs.
»Das wird mal eine Überraschung für Roland sein«, sagte sie, als sie auf den Royal Crescent zufuhren. Sie schaute zum Fenster hinaus und zu den eleganten Fassaden der vollkommenen Häuser in diesem vollkommenen Halbkreis hinauf. Schon eine Zweizimmerwohnung konnte hier beinahe eine halbe Million kosten. Für ein ganzes Haus müsste man sicher ein Vermögen berappen. »Ich wüsste zu gern, ob er sich mit Antiquitäten eingerichtet hat«, sinnierte sie.
Honey sah schon Pläne für Renovierungen am Horizont, wenn ihr auch eine andere Frage wesentlich dringender schien. »Du warst also noch nie bei ihm in der Wohnung?«
Ihre Mutter lächelte – viel zu anzüglich für eine Frau ihres Alters. »Noch nicht. Wir lassen es langsam angehen. Zwischen uns herrscht großer gegenseitiger Respekt. Wir sind nicht die Sorte Leute, die gleich ins Bett und wieder raus hüpfen. Uns geht es um eine längerfristige Bindung. Und wenn ich erst einmal mit ihm verheiratet bin und froh wie der Mops im Haferstroh …« Sie tätschelte ihrer Tochter den Arm. »Dann kann ich unser Zuhause so einrichten, wie ich es möchte. Und schließlich meine Aufmerksamkeit wieder darauf lenken, auch für dich einen netten Mann zu finden.«
Honey unterdrückte ein Schaudern. »Überstürze bitte nichts, Mutter. Lange Verlobungen haben entschieden etwas für sich.« Sie kam sich vor wie ein Feigling und eine Spielverderberin, aber auch wie eine Frau, die gern ihr Leben selbst bestimmt.
Mit rosigem Schein ging die Sonne unter und warf lange Schatten. Den ganzen Tag über hatten die Häuser des Crescent die Wärme aufgesogen, die sie jetzt bei Sonnenuntergang wieder abstrahlten. Man bekam Lust, sich wohlig an die |234| Mauern zu lehnen oder sich gar mit der Wange daran zu schmiegen.
Überall grandiose Architektur. Honey erschien der Royal Crescent in Bath immer wie eine Tiara, die leicht erhöht über der Stadt aufragte. Zum größten Teil war der Autoverkehr vom Kopfsteinpflaster der Straße verbannt. An einem Ende der Straße erspähte sie die wohlbekannte blaue Sänfte. Am anderen Ende wartete eine weitere Sänfte mit zwei Trägern. Die vier sahen aus, als starrten sie einander über die Entfernung hinweg wütend an.
Honey fuhr von hinten an den Crescent heran und fand tatsächlich eine Parklücke. »Weißt du, welche Hausnummer es ist?«
Ihre Mutter schwang die schlanken Beine aus dem Auto. »Na türlich .« Heute Abend trug sie ein kleines Schwarzes, echte Perlenohrringe, passende Kette und Armband. Die roten Schuhe hatten hohe Stöckelabsätze, und Honey registrierte amüsiert Netzstrümpfe.
Gloria zog sich das Kleid zurecht und reckte den Kopf in die Höhe. »Sehe ich gut aus?«
Netzstrümpfe und rote Schuhe hätten bei jeder anderen Frau nach »ich bin eine Schlampe und so was von billig« ausgesehen. Bei Honeys Mutter wirkten sie
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