Dinner für eine Leiche
Knie sammelte.
Sie saßen alle still und in Gedanken versunken da. Sogar Smudgers rosige Apfelbäckchen waren weißer als Milchreis.
Jeder stellte sich vor, wie Richard Carmelli sein Ende gefunden hatte. Die Beine ragten unter der schweren Schaufel hervor, der Kopf war wie eine überreife Erdbeere zerquetscht.
Nun war dringend irgendeine völlig unangebrachte Bemerkung vonnöten. Irgendjemand musste ganz schnell was Lustiges oder Schlaues sagen, ganz egal, nur irgendwas, um dieses erstarrte Schweigen zu brechen.
|253| Kann vielleicht einer von uns Rad schlagen? überlegte Honey. Sie waren alle wie eingefroren und mussten doch dringend weitermachen.
Plötzlich hörte man einen gedämpften Laut. Jemand murmelte etwas. Alle schauten einander an.
»Das habe ich nicht ganz verstanden«, sagte Steve zu Honey.
»Ich hab gar nichts gesagt.«
Honey blickte zu Smudger. Der zuckte die Achseln. »Ich auch nicht.«
»Der Scheißkerl! Dieser niederträchtige, heimtückische Arsch!« Die Worte klangen undeutlich, aber die Stimme war trotzdem gut zu erkennen.
Honey spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und sah, dass ein belustigtes Lächeln um Steves Mund spielte.
Dann tauchten auf dem Tresen mit Brillantringen geschmückte Finger auf – erst die eine Hand, dann die andere.
Aller Augen waren auf den Bartresen gerichtet. Nur Smudger starrte noch schockiert vor sich hin. Er schüttelte den Kopf. »Wer das gemacht hat, ist ein mieser …«
»Scheißkerl!«, ergänzte die Stimme aus dem Untergrund.
Steve nickte zustimmend. »Hätte es selbst nicht besser formulieren können.«
»Roland Mead ist ein Arsch!« Gloria Cross schaute sich mit verschleiertem Blick im Raum um. Sie bemerkte, dass sie vor einem faszinierten Publikum spielte, und lächelte.
Honey war klar, dass nun eine prächtige Vorstellung folgen würde, und sie verbarg das Gesicht in den Händen. Sie brauchte gar nicht hinzusehen. Sie wusste, dass sich das Gesicht ihrer Mutter merklich aufhellte. Zuerst würde ein Witz kommen, ein schrecklich geschmackloser Witz.
»Arsch!« Die klingende Stimme hallte in der schummrig beleuchteten Bar wider. »Und wie nennt man einen Zwerg oder einen Fleischer mit kurzen Beinen? Ha, einen Hängearsch!«
|254| Honey blinzelte zwischen ihren Fingern hindurch. Steves ernste Miene war zu einem Grinsen verzogen. »In Sachen politischer Korrektheit ist deine Mutter nicht gerade Spitze.«
Honey brabbelte eine ganze Reihe völlig irrwitziger Entschuldigungen. »Sie weiß nicht einmal, was der Ausdruck bedeutet. Sie ist alt! Und sie ist sonst nie in der Bar. Sie trinkt nicht.«
»Jetzt schon.«
Nun tauchten die Schultern ihrer Mutter auf, dann ihr Busen.
Großer Gott!
Den Anwesenden fielen die Augen aus dem Kopf. Steve Doherty hing der Mund offen. Sein Kollege in Uniform kicherte, wurde aber mit einem einzigen warnenden Blick zur Räson gebracht.
Honey stöhnte auf. Jetzt wusste sie, wo Lindsey den Riesen-BH hingeräumt hatte. Ihre Mutter hatte ihn hinter der Bar gefunden – und gleich anprobiert. Und was den Alkohol anging …?
Das Gesicht ihrer Mutter wirkte verschwiemelt und zufrieden, weich wie Spielknete. »Mary Jane hat mir ein wunderbares Stärkungsmittel gegeben.« Sie hickste. »Es war sehr stark, aber es hat mir wirklich sehr gut getan.« Sie schwankte ein wenig und schaute mit leicht überraschtem, aber resigniertem Blick an ihrem Busen herunter. »O je! Und ich hatte doch immer 80 B. Meinst du, dass das von dem Lebenselixier kommt?«
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|255| Kapitel 31
Zwei Tage später kam Steve vorbei und brachte ihr das Ergebnis seiner Untersuchungen zu Sylvester Pardoe.
»Der erstickt in Alibis«, sagte er und stützte die Ellbogen auf die Knie, während er sich mit den Fingern durchs Haar fuhr.
Honey spürte seine Frustration.
»Aber warum war er bei Roland Mead?«
»Er sagt, das sei vor einiger Zeit gewesen. Er hat Stafford gesucht.«
Sie wollte gerade fragen, warum sich Pardoe ausgerechnet bei Mead nach dessen Aufenthaltsort erkundigen wollte, aber Steve kam ihr zuvor.
»Er sei in die Stadt gekommen, um ein paar alte Kumpel zu suchen, und Carmelli hätte ihn in diese Richtung gewiesen.«
Honey runzelte die Stirn. »Kumpel? Das war also nur ein freundliches Gerangel in Harolds Kneipe?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, glaub das nicht. Freunde versuchen nicht, einander bewusstlos zu schlagen.«
Steve seufzte und rieb sich müde die Augen.
»Ich habe es dir doch gerade gesagt. Er hat ein Alibi
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