Dinner für eine Leiche
sehen. Kommen Sie doch bitte herein.«
Bisher hatte Mr. Westlake noch nie Anzeichen von Nervosität gezeigt – heute jedoch tat er das. Sein unsteter Blick wirkte |247| gehetzt, und er schien beinahe erleichtert zu sein, als die Küchentür hinter ihm zugefallen war.
»Also, wollen wir dann mal anfangen?«, fragte Honey so süßlich, wie sie nur konnte.
Mit zitternden Händen befestigte der Prüfer seine Formulare auf dem Klemmbrett. Sein Stift wurde mit Klettband an dem Brett gehalten, aber Mr. Westlake schaffte es trotzdem, ihn fallen zu lassen.
»Ich gehe in Rente, wissen Sie.« Er murmelte das ganz leise, als sei ihm diese Tatsache plötzlich bewusst geworden. »Ich denke, es ist auch höchste Zeit«, fügte er hinzu, und sein Glatzkopf schimmerte im unbarmherzigen Licht der Küche wie eine Bowlingkugel mit Sommersprossen.
Mit besorgter Miene erkundigte sich Honey nach seinem Befinden.
Er schaute sie ausdruckslos an. »Sie sind sonst nicht in der Küche, wenn ich komme.«
Er sagte das in einem seltsamen, fragenden Ton, als suchte er nach einer verwandten Seele, die von den gleichen Schrecken heimgesucht worden war wie er.
Auf gar keinen Fall würde Honey zugeben, dass sie sich vor ihrer Mutter versteckte. »Ich dachte nur, ich helfe hier mal aus …«
Er unterbrach sie mit bebender Stimme. »Ihre Mutter hat mir gerade von einigen Problemen berichtet, die sie in letzter Zeit hatte.«
Die Katze war aus dem Sack. Honey tat ihr Bestes, um die Sache zu kitten.
»Nun ja, sie macht im Augenblick eine kleine Krise durch.«, entgegnete Honey ganz ruhig
»Mit einem Mann«, meinte Mr. Westlake. »Sie hat mir alles erzählt.«
Honey stöhnte auf. Smudger verdrehte die Augen. Alle anderen in der Küche gaben sich redlich Mühe, nicht zu kichern. |248| Die junge Commis-Köchin musste allerdings so sehr lachen, dass ihr nur die Flucht auf die Toilette blieb. Der Küchengehilfe tauchte mit dem Kopf in der Spülmaschine ab, aber seine zuckenden Schultern verrieten ihn.
Honey entschuldigte sich. Mr. Westlake, der sonst so pingelig war und überall nach unhygienischen Arbeitsmethoden suchte, schien völlig verstört, weil er unerwartet die Aufgaben einer Kummerkastentante hatte übernehmen müssen.
Honey verstieß gegen die Grundregel aller Küchen auf dem Prüfstand und bot ihm eine Tasse Tee an. Mr. Westlake missachtete seine eigene Grundregel und nahm dankend an. Honey fürchtete, er würde auf der Stelle zusammenklappen, und schlug ihm vor, auf den Hof zu gehen, wo er sich ein wenig in die Sonne setzen konnte. Sie warf ihrem Chefkoch einen fragenden Blick zu. Der schaute genauso fragend zurück. Konnte es tatsächlich sein, dass ihre Mutter mit ihrem Geschwätz über ihr Liebesleben die angeborene Widerborstigkeit des Prüfers derartig zermürbt hatte? Den Trick sollte sie sich patentieren lassen. Das gesamte Gaststättengewerbe würde danach Schlange stehen!
Honey setzte sich mit Mr. Westlake auf eine der Holzbänke an einen Tisch auf dem Hof.
»Nett«, meinte er und schaute sich um.
»Ja. Nett.«
Später würde es vielleicht abgedroschen klingen, aber jetzt hatte Honey wirklich das Gefühl, dass alles nett war. Nett schien ein … na ja …. nettes Wort zu sein. Normalerweise war sie sehr nervös, wenn Mr. Westlake kam. Heute dagegen, nun denn …
Vielleicht lag es an der beruhigenden Umgebung, vielleicht am Tee oder an den selbstgebackenen Haferkeksen mit Mandeln. Vielleicht war er auch nur erleichtert, dass er dem tyrannischen Redeschwall ihrer Mutter entkommen war. Jedenfalls begann sich Mr. Westlake zu entspannen.
»Ende der Woche gehe ich in Rente, und wenn man pensioniert |249| wird, meine liebe Dame, dann legt man noch viel mehr Wert auf gute Arbeitsmethoden in der Küche.«
Honey wurde beklommen ums Herz. Er würde doch nicht etwa ihre Küche haarklein und pingelig gründlich untersuchen, sobald er seinen Tee getrunken hatte? Sie schloss die Augen und betete. Mr. Westlake fuhr fort, ihr seine Meinung zu sämtlichen Regeln und Gesetzen zu erläutern, insbesondere was Fleisch betraf.
»Ganz besonders billige ich, wenn gekochtes und rohes Fleisch in gesonderten Kühlschränken aufbewahrt wird. Bei rohem Fleisch würde ich sogar noch weitere Unterteilungen vornehmen, zum Beispiel Geflügel in einem, Schweinefleisch in einem anderen, Rindfleisch separat und so weiter …«
Honey fragte sich, wo in diesen Kategorien wohl Wild einzuordnen wäre, wollte sich aber lieber nicht danach erkundigen.
Er
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