Dinner für eine Leiche
Ganzkörperdusche ab.
»Herzlichen Dank.«
Da stand sie nun triefnass. Das Wasser rann ihr aus den Haaren und übers Make-up, floss in schwarzen Rinnsalen über ihre Wangen. Die frisch gewaschenen und gebügelten Kleider waren schlaff und feucht. Und warum um alles in der Welt hatte sie bloß die Handtasche »für tagsüber« mitgebracht? Sie war groß und braun und überhaupt nicht für eine schicke Abendeinladung geeignet. Honey zog den Reißverschluss auf und schaute hinein. Sie stöhnte auf. Den meisten Raum nahm der riesige Tüten-BH ein. Morgen würde das Ding wieder ins Auktionshaus wandern, nahm sie sich vor.
Sie verdrehte die Augen. Was für ein Abend würde es wohl werden?
|267| Sie überlegte, ob sie nicht lieber die ganze Sache absagen sollte. Gleich reagierte ihr Körper auf diesen Gedanken. Vielmehr bewegte sich der rechte Fuß. Der linke blieb stehen. Typisch! Die eine Hälfte zog es zu Steve Doherty, die andere wollte partout nichts mit dieser Geschichte zu tun haben. Diese Einstellung war auf ihre Erfahrungen mit Männern zurückzuführen, während die Überreste ihrer Hormone nur zu bereit zum Sprung ins kalte Wasser waren.
Also blieb sie einfach stehen. Und wartete.
Da kam Steve langsam angefahren und umrundete vorsichtig den neuen künstlichen See. Er hatte das Fenster heruntergekurbelt und musterte sie von oben bis unten. »Ist der Wet Look wieder in?«
Sie riss die Autotür auf und stieg ein. »Fahr los.«
»In Ordnung.«
Sie saß still und mürrisch neben ihm. Jetzt konnte man ihr Aussehen beim besten Willen nicht mehr mit dem Wort verführerisch beschreiben. Sie dampfte. Ihre Kleider dampften, sie selbst dampfte vor Wut. Langsam beschlugen die Scheiben.
Steve stellte die Lüftung so ein, dass sie direkt auf die Windschutzscheibe gerichtet war. Er hatte bemerkt, dass Honey verärgert war. Er fuhr um die Innenstadt herum, über die Pulteney Bridge, am alten Admiralitätsgebäude vorüber, in dem inzwischen Luxusapartments waren, über den Avon, zurück und wieder in die Stadt.
Als Honey begriffen hatte, dass sie sich im Kreis bewegten, schaute sie verdutzt. »Wo fährst du eigentlich hin?«
»Sag’s mir. Du hast doch angerufen und mir erzählt, wir müssten vor dem Abendessen noch irgendwo vorbeigehen. Wen wir besuchen, hast du mir aber nicht verraten.«
Honey entschuldigte sich. »Meine Mutter hat etwas auf dem Herzen, das sie unbedingt loswerden will. Schon wieder.« Sie seufzte leise, während sie das sagte. Sie hatte sich so auf den |268| Abend bei Steve gefreut. Der Anruf ihrer Mutter hatte die ganze Sache torpediert.
Steve schnitt eine Grimasse.
»Damit sie endlich über die Angelegenheit hinwegkommt, muss sie Roland Mead in tausend Stücke reißen.«
»Wie ein Geier?«
Honey grinste. »Der Himmel hat nicht eine Raserei wie Liebe, die zu Hass gewandelt, noch hat die Hölle eine Wut wie ein verschmähtes Weib.«
Steve lief es eiskalt über den Rücken. »Großer Gott!«
Glorias Eigentumswohnung hatte etwa so viel gekostet wie ein Bauernhaus mit 16 Hektar Land. Nicht dass sie ernsthaft erwogen hätte, in einem Bauernhaus zu leben, noch dazu umgeben von so viel Dreck und Gras. Sie hatte es mehr mit hochhackigen Pantoletten als mit grünen Gummistiefeln.
Steve und Honey hörten Gloria bereits, als sie sich der Haustür näherten. Sie schaute vom Balkon auf sie herunter. Der stammte aus dem 18. Jahrhundert, hatte ein Geländer aus Schmiedeeisen und wirkte französisch, mit einem Hauch Napoleon, ein bisschen wie die vor Blumen überquellenden Balkone im französischen Viertel von New Orleans.
»Das wurde aber auch Zeit. Ich habe uns schon Sherry eingeschenkt.«
»Ich hasse Sherry«, murmelte Steve.
»Sei nett zu ihr«, zischelte Honey.
Honey trat einen Schritt zurück, um ihre Mutter besser sehen zu können. Ihr Gesicht war von rosa Geranien und violetten Petunien umrahmt.
Honey tat ihr Möglichstes für den flotten Doherty. »Steve trinkt nicht, wenn er fährt. Also für ihn keinen Sherry.«
Mit einem kurzen Kopfnicken quittierte Gloria diesen Hinweis und verschwand dann aus dem Blickfeld.
»Danke«, meinte Steve, während Honey an der Haustür den Sicherheitscode eintippte.
|269| »Kein Problem, außer dass ich wahrscheinlich jetzt auch deinen Sherry süffeln muss. Gar nicht gut. Ich mag das Zeug nämlich auch nicht.«
Wie üblich war ihre Mutter wie aus dem Ei gepellt. Heute trug sie ein Oberteil in Marineblau und Weiß, das an den Ärmeln und in einer Diagonale
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