Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
zurück und warf sie vor seinen Mund. „Mann, oh Mann, mir fällt gerade etwas ein.“
„Was denn?“
„Die Bender-Bergmann hatte hier mal richtig Zoff mit einem Kollegen.“
„Mit wem? Um was ging’s da?“
„Das war die Sache mit dem Herrn König, der bei uns für Bafög usw. zuständig ist. Das ist vielleicht ein Vierteljahr her.“
„Was war da los?“ Tannenberg hatte wieder Platz genommen.
„Da ging’s um eine höher dotierte Funktionsstelle, auf die er sich beworben hatte. Und plötzlich war da so eine junge, dynamische Kollegin, die auf einmal die besten Karten hatte. Und zwar deswegen, weil die Bender-Bergmann sich für sie stark gemacht hat. Dem armen König ist damals schon recht übel mitgespielt worden. Denn plötzlich war er von einem auf den anderen Tag ganz aus dem Spiel. Der hat sich wirklich fürchterlich darüber geärgert. Mensch, war der stinksauer. Vor allem deshalb, weil er mehrere Kinder hat und Alleinverdiener ist ...“
„Und wie hat er darauf reagiert?“
„Na, er hat sich halt unheimlich über die Sache aufgeregt und die Kollegin Frauenbeauftragte sogar mal regelrecht bedroht.“
„Inwiefern?“
„Na, er hat ihr einmal mitten in einer Konferenz mit hochrotem Kopf entgegen geschrien, dass er ihr am liebsten den Hals umdrehen würde.“
„Das ist ja hochinteressant! Ich glaube, den Herrn werden wir uns mal etwas genauer zur Brust nehmen.“
„Und seitdem sind die sich immer aus dem Weg gegangen, haben kein Wort mehr miteinander gewechselt. Na ja, der König war irgendwie schon immer ein ausgesprochener Choleriker ... Übrigens nicht sonderlich beliebt bei seinen Kollegen. - Aber, Tanne, ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass der etwas mit diesem Mord zu tun haben könnte.“
„Wir werden uns jedenfalls demnächst etwas intensiver mit ihm beschäftigen.“
Nachdem der Kriminalbeamte das Bildungszentrum verlassen und es sich in seinem komfortablen Dienstwagen bequem gemacht hatte, erinnerte er sich mit einem Mal wieder an den vor den Toren der Fachhochschule aufgemalten Verkehrskreisel.
Urplötzlich schäumten mit weißer Gicht besetzte, mächtige Wogen der Wut in ihm auf. Sein unbändiger Zorn über diese Ausgeburt verkehrsplanerischen Irrsinns mündete schließlich darin, dass er noch vor der Ampelanlage am Fuße des Kaiserbergs Sirene und Blaulicht einschaltete. Bei der anschließenden Überquerung dieses albernen Verkehrshindernisses achtete er penibel darauf, dass er ja genau über dessen Mitte hinwegfuhr.
Als der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission einige Stunden später in seinem Büro am Schreibtisch saß und über die weitere Ermittlungsstrategie nachdachte, läutete das Telefon.
„K 1 – Hauptkommissar Tannenberg.“
„Hallo, Wolf, wann kommst du denn endlich nach Hause? Es wird ja schon dunkel!“, sagte eine wohlbekannte Stimme mit vorwurfsvollem Unterton.
„Was ist denn mit dir los, Bruderherz? Du redest ja schon wie unsere Mutter. Warum willst du denn wissen, wann ich nach Hause komme?“
„Das kann ich dir am Telefon nicht sagen. Also, wann kommst du? Ich brauch dich nämlich dringend.“
„Wofür denn?“, wollte Tannenberg neugierig, wie er nun mal von Natur aus war, wissen. Aber bereits einen Sekundenbruchteil später war ihm die Unsinnigkeit seiner Rückfrage klar. „Na gut, alte Nervensäge. Mir reicht’s sowieso für heute. Ich bin in zehn Minuten bei dir.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er auf und machte sich sogleich auf den Heimweg. Es hatte tatsächlich schon angefangen zu dämmern. Die meisten Autofahrer hatten bereits die Scheinwerfer eingeschaltet, Straßenlaternen und Leuchtreklamen traten flackernd ihren Nachtdienst an.
Tannenberg passierte in der Richard-Wagner-Straße einen Tattoo-Laden, der ihn unweigerlich an seinen letzten Fall erinnerte. Schmunzelnd und kopfschüttelnd wollte er gerade in die Beethovenstraße einschwenken, als er von weitem seine Mutter und die Schleicherin auf dem Bürgersteig vor seinem Elternhaus erblickte. Beide führten ihre vierbeinigen Anhängsel mit sich. Tannenbergs Vater stand in der Haustür.
Die Schleicherin, der im Musikerviertel der Ruf eines unverbesserlichen Klatschweibes vorauseilte, beugte sich gerade zu den beiden überfütterten Hunden hinunter und stopfte ihnen je eines ihrer im Sturm Hundeherzen erobernden Leckerlies in die gierigen Sabbermäuler.
Der Kriminalbeamte verspürte nicht die geringste Lust auf einen Kontakt mit dem fetten, asthmatischen
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