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Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Titel: Dinotod: Tannenbergs vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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„Nein, Lea, das denkst du nicht! Das kannst du nicht denken! Denn das, was ich ab heute tun werde, ist genau das, was du immer gewollt hast. Ich hab es nur die ganze Zeit über nicht gekonnt. Fast wäre ich unter dieser Last zusammengebrochen. Obwohl ich sie mir selbst auferlegt habe – was mir bis vorhin nicht klar war. Ich hab einfach verdrängt, was du mir aufgetragen hast!“
    Tannenberg durchfurchte mehrmals mit den Fingern seine patschnassen Haare. „Lea, du wirst immer den zentralen Stellenwert in meinem Leben behalten. Ich werde mich auch später neben dir begraben lassen. So wie ich es mir geschworen habe. Wir werden uns irgendwann und irgendwo wiedertreffen – wie du es immer vorausgesagt hast. Da bin ich mir ganz, ganz sicher.“
    Dann schloss er die Augen und sprach ein stilles Gebet.
    „Danke, Lea“, sagte er abschließend, sog tief die nasskalte Luft ein und entfernte sich mit bedächtigen Schritten von diesem symbolträchtigen Ort der Trauer und Andacht.

5
    Peter
     
    (einige Wochen vorher)
     
    Exakt im pulsierenden Rhythmus seines Herzschlages hüpfte der kleine rote Sekundenzeiger müde über das schneeweiße Zifferblatt. Immer wieder dieselben stumpfsinnigen, zähen Bewegungen: springen – kurz ausruhen – springen – kurz ausruhen ... Immer dasselbe deprimierende Ergebnis: Die Dienstzeit kroch träge wie eine riesengroße schleimige Nacktschnecke über seinen willenlosen, ermatteten Leib, zog ihre klebrige Spur über die nach Luft und Freiheit lechzenden Körperzellen, legte ihre dicke, feuchte Masse über seine geknechtete Seele.
    Schon lange hatte er resigniert und den aussichtslosen Kampf gegen diese schier übermächtige Laune des Schicksals aufgegeben, sich mit seinem schweren Los widerwillig arrangiert.
    Früher als ich noch keine Familie zu versorgen hatte, da war alles noch anders. Aber seitdem die Kinder da sind, stimmt’s hinten und vorne nicht mehr, sagte er frustriert zu sich selbst, während sich sein müder Blick von der Schreibtischuhr entfernte und orientierungslos im Raum umherschwebte.
    Die linke Hand stützte den Kopf, die rechte ruhte regungslos auf einem geöffneten Ordner. Natürlich liebe ich meine Kinder!, stellte er unmissverständlich klar, so als ob er seine Gedanken vor irgendjemandem rechtfertigen und vor übereilten Fehlinterpretationen schützen müsste. Aber darum geht es doch gar nicht. Verfixt und zugenäht!
    Seit vielen Jahren führte er diese zermürbenden Selbstgespräche. Sie brachten ihn bei der Bewältigung seiner Probleme zwar nicht entscheidend voran, aber sie reduzierten zumindest ein wenig den enormen Druck, der zentnerschwer auf ihm lastete. Zumindest zeitweise. Allerdings waren diese Effekte nie von Dauer. Sie konnten es auch nicht sein, denn irgendwann einmal hatte er frustriert feststellen müssen, dass es für ihn und seine Probleme schlicht und ergreifend einfach keine Lösung gab. Jedenfalls keine, mit der er einigermaßen hätte leben können.
    Alle denkbaren Varianten hatte er schon durchgespielt. Aber hinter jeder Tür, die er in seiner Verzweiflung sperrangelweit aufgerissen hatte, war ihm sofort ein hässliches, giftgrünes Gespenst entgegengesprungen.
    Er war gefangen, von einer eisernen Klammer umschlossen. Eingesperrt in ein enges Korsett, das ihm die Luft zum Atmen raubte. Ein der Freiheit beraubter Vogel, dem die so genannten Sachzwänge brutal die Flügel gestutzt hatten.
    Am allerschlimmsten aber war für ihn das Gefühl, überflüssig zu sein: In der Kindererziehung, die von seiner Frau, einer von Depressionsschüben geplagten, dauernörgelnden Gluckenmutter, mehr schlecht als recht bewältigt wurde. Und die in Gestalt seiner herrischen Schwiegermutter eine passende Weggefährtin gefunden hatte.
    In seiner Rolle als Familienernährer, der er aufgrund seines bescheidenen Beamtengehaltes nur unzureichend gerecht werden konnte. Auch in diesem Bereich hatte sich die gut betuchte Frau Schwiegermama einen Status als ebenso einflussreiche wie gönnerhafte Familiensponsorin geschaffen.
    Nicht zuletzt dadurch, dass man im Obergeschoss ihres Wohnhauses logieren durfte. Kostenlos, versteht sich. Eine von vordergründig großmütiger Selbstlosigkeit genährte Wohltat, mit der sich die ältere Dame auch sehr gerne brüstete, nicht nur seiner Familie gegenüber, sondern auch bei Verwandtentreffen, Nachbarschaftskontakten usw.
    Eine extrem unspektakuläre, anspruchslose Verwaltungstätigkeit komplettierte das persönlichkeitszersetzende

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