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Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Titel: Dinotod: Tannenbergs vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Sachbearbeiter.
    Deshalb befand sich auf seinem Schreibtisch auch stets ein aufgeschlagener Ordner und ein Kugelschreiber, mit deren Hilfe man in Sekundenbruchteilen den Eindruck einer intensiven dienstlichen Tätigkeit erwecken konnte.
    Nicht selten verirrte sich nach der erfolgreichen Bewältigung solcher Stresssituationen ein mildes Lächeln in sein verhärmtes Antlitz. Dann dachte er an seinen Spitznamen, den er sich irgendwann einmal selbst verliehen hatte: Chamäleon.
    Dieses Tier faszinierte ihn sehr, schließlich bediente es sich derselben ausgefeilten Überlebensstrategie wie er: Immer auf der Hut sein, in einer von bösartigen Feinden beherrschten unwirtlichen Umgebung alles genau beobachten, sich unauffällig verhalten.
    Natürlich könnte ich mir auch mehr Arbeit aufhalsen, dann wär’s mir nicht mehr so langweilig, sinnierte er. Nein! Er schmunzelte mit einem hämischen Gesichtsausdruck, schüttelte trotzig den Kopf. Ich werd einen Teufel tun! Die haben ihre Chancen gehabt. Ich war willens. Aber die wollten mich keine Karriere machen lassen. Gut. Von mir aus. Ich bedanke mich auf meine Weise für ihr Entgegenkommen.
    Irgendwann wird der Tag kommen, an dem sie begreifen werden, was sie mir angetan haben. Dann werden sie sehen, was wirklich in mir steckt. Nur dann ist es zu spät!
    Ein paar Minuten danach hatte sich dieser kurzzeitige Energieschub bereits verflüchtigt und die Freudlosigkeit seiner grauen Bürokratenexistenz hatte ihn wieder in ihre alte, modrige Decke gehüllt.
    Es war ein regelrechtes Drama, denn diese allgegenwärtige bleierne Müdigkeit, die ihn so anhänglich durch sein freudloses Leben begleitete, wollte einfach nicht von seiner Seite weichen. Sie war eine derart penetrante Weggefährtin, dass sie sich noch nicht einmal von Psychopharmaka beeindrucken ließ.
    Nach den von ihm als enttäuschend bewerteten Erfahrungen mit schulmedizinischen Therapiekonzepten war er jahrelang orientierungslos durch die trüben, sumpfigen Gewässer der modernen Psychotümpel gewatet, war auf dieser Odyssee vielen selbsternannten Heilsbringern und erbarmungslosen Seelenfängern begegnet, bis er schließlich einen qualifizierten Verhaltenstherapeuten fand, mit dessen Hilfe es ihm zumindest zeitweise möglich wurde, diesem scheinbar übermächtigen Moloch der Melancholie zu entrinnen und das tagtägliche Martyrium der Langeweile etwas erträglicher zu gestalten.
    Aber selbst diese bewährte psychologische Problembewältigungsstrategie war nicht in der Lage, dauerhaft das ausgedörrte Ödland zu begrünen, auf dem er tagtäglich wie ein trauriger alter Straßenköter ziellos umherirrte.
    Besonders die letzten Minuten bis zum ersehnten Dienstsschluß waren nach wie vor unerträglich, dauerten unendlich lange und zogen sich wie ein frisch ausgetretener, an der Schuhsohle haftender, dünnfadiger Kaugummi schier endlos in die Länge: äußerst aufdringliche, klebrige Zeitspinnweben.
    Sein Arbeitspensum für den heutigen Tag hatte er bereits vor einer Stunde erledigt, aber er durfte jetzt nicht einfach aufstehen, seine Sachen zusammenpacken und nach Hause gehen, nein, er musste wie ein in schwere Ketten gelegter Strafgefangener auf den von anderen festgelegten Zeitpunkt seiner Entlassung warten.
    Trotz der zermürbenden Konfrontation mit dieser provozierenden Langsamkeit, mit der die noch abzusitzende Dienstzeit zäh an ihm vorüberkroch, konnten sich seine Augen einfach nicht von dieser kleinen hüpfenden Nadel lösen. Erst ein Düsenjäger, der laut über das Gebäude donnerte, riss ihn aus seinem melancholischen Trancezustand.
    Sein leerer, teilnahmsloser Blick verließ behutsam den dürren Zeiger, schwebte gemächlich über den wohlgeordneten Schreibtisch, bis er dann endlich auf der großen Uhr, die in jeder der Büros genau gegenüber den Schreibtischen hing, einrastete.
    Diesen Anblick empfand er als noch deprimierender, schien die Zeit nun doch endgültig stehengeblieben zu sein. Er befreite seine Augen von dieser Marter, erhob seinen Blick und betrachtete die dünnen Zirruswölkchen, die irgendjemand lieblos an den kitschigblauen Frühlingshimmel geklatscht hatte.
    Während der Flugzeuglärm sich langsam verflüchtigte, registrierte er ein Geräusch, das er in der Vergangenheit nur sehr selten bewusst wahrgenommen hatte: das leise, monotone Summen der Klimaanlage. Eingetaucht in das alles verschlingende schwarze Loch der Apathie schlichen sich leise Gedanken in sein Bewusstsein, die ihn behutsam damit

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