Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Titel: Dinotod: Tannenbergs vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
Vom Netzwerk:
körperliche Berührung nicht zu, sondern entzog sich diesem Annäherungsversuch dadurch, indem er den Arm wegdrückte und ein paar Schritte im Hof umherging. Dann blieb er plötzlich stehen. „Vielleicht hat dieser ›kiwi‹ ja auch vollkommen recht. Vielleicht ist das, was ich geschrieben habe, ja wirklich so grottenschlecht, wie er meint.“
    „Quatsch, lass dich doch nicht von diesem blöden, aufgeblasenen Kerl runterziehen. Ich sag’s dir gerne nochmal: Ich find’s super, was du gemacht hast! Und ich bin mords stolz auf dich!“
    Heiner ignorierte die litaneienartigen Wiederholungen seines jüngeren Bruders. Er war völlig am Boden zerstört, deprimiert, von nagenden Selbstzweifeln geplagt. Sein melancholischer, sorgenvoller Blick bohrte sich in die schwarzgrauen, speckig glänzenden Pflastersteine.
    Benahm sich Tannenberg im zwischenmenschlichen Bereich manchmal so rüpelhaft wie der legendäre Elefant im Porzellanladen, so war er doch in dieser Situation sensibel genug, um die mehr als angespannte emotionale Befindlichkeit seines Bruders, dessen Martyrium ja schließlich auch allzu offensichtlich war, in aller Deutlichkeit zu registrieren.
    Fieberhaft begab er sich auf die Suche nach einem positiven Impuls, mit dessen Hilfe er zwar Heiners Leiden nicht gänzlich eliminieren, sie aber doch ein wenig abmildern konnte. Nach ein paar Sekunden angestrengten Nachdenkens zündende endlich eine Idee.
    „Erinnerst du dich?“, fragte Tannenberg mit lauter Stimme. „Wie hat der gute alte Aaron Neville immer gesungen?“
    Heiners Blick erhob sich vom Boden und fixierte seinen Bruder, der bereits mit einer eindrucksvollen musikalischen Darbietung begonnen hatte: Den melodischen Soulrhythmus des Songs mit den Händen klatschend, versuchte er den textlosen Background-Chorgesang der Eingangssequenz nachzuahmen. Was ihm allerdings nicht sonderlich gut gelang, erinnerten doch die von ihm produzierten Geräusche weit mehr an das der Kurzform seines Vornamens entsprechende Geheul als an einen zwar dezent im Hintergrund agierenden, aber nicht minder stimmgewaltigen Gospelchor.
    Nach diesem als Vorspeise gedachten akustischen Ohrenschmaus servierte Tannenberg anschließend den Hauptgang dieses legendären Songs, den der mit einer zarten Engelsstimme ausgestattet e, begnadete Aaron Neville einmal seinem älteren Bruder Art gewidmet hatte:
„My Brother, my Brother, whatcha gonna do?
My Brother, my Brother, I’m here to help you.
Tell me your sorrows, tell me your fears.
My Brother, my Brother, I’ll always be here.
I know it won’t be easy, but we both have got to try,
To hold onto each other, until the day we die.
Nobody knows you quite the way that I do
And if you’re in trouble, come to me ...”
    „Sofort aufhören!“ schrie plötzlich Betty aus dem Wohnzimmerfenster ihres Hauses hinunter in den Hof. „Ja, schämst du dich denn gar nicht, Wolf? Da wurde vor ein paar Tagen eine Frauenbeauftragte ermordet und du grölst hier aus vollem Halse einen Macho-Song über Bruderliebe.“
    Beide Männer waren so verblüfft angesichts dieses unerwarteten Einwurfs, dass sie zunächst wie gelähmt waren. Tannenberg überwand als erster seinen ausgeprägten Schockzustand.
    Zuerst zog er ungläubig die Schultern nach oben, dann setzte er sich in Bewegung und passierte, mehrmals kopfschüttelnd ›Macho-Song?‹ vor sich hinmurmelnd, seinen Bruder, dessen weit aufgerissene Augen nach wie vor an dem inzwischen bereits wieder verschlossenen zweiflügeligen Sprossenfenster im ersten Obergeschoss des Südhauses festklebten.
    Bereits fünf Minuten später stand Tannenberg unter der Dusche. Er hatte gerade das Wasser aufgedreht und genoss in vollen Zügen die ersten dünnen, lauwarmen Strahlen, die ihre wohlige Wärme über seinen ausgekühlten Körper verteilten. Nachdem er sich die Haare einshamponiert hatte, warf er aus purem Übermut den Kopf ins Genick und schob den sperrangelweit geöffneten Mund von der Seite her unter den silbernen Brausekopf.
    Plötzlich vernahm er den schrillen Heulton seines Telefons. Nach einer schnellen Drehbewegung, bei der er auf dem rutschigen Boden der Duschwanne fast ausgeglitten wäre, zerrte er hastig ein großformatiges Handtuch aus dem geöffneten Badezimmerschränkchen, wickelte es sich um den Bauch und spurtete ins Wohnzimmer.
    Es war Ellen Herdecke. In einem nicht mehr endenwollenden Redeschwall bedankte sie sich zunächst überschwänglich für die Blumen, die Tannenberg ihr über einen Boten

Weitere Kostenlose Bücher