Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
östlichen Eingangstor vereinbart.
Als er die Apostelkirche passiert hatte und in den Kotten, ein altes innerstädtisches Wohngebiet, einschwenkte, musste er – wie nahezu jeder Kaiserslauterer, der sich zwangsweise in diesem Bereich aufhielt – unwillkürlich an seine eigene Fahrschulzeit denken.
Obwohl jedem Fahrlehrer und jedem Prüfer aus eigener Erfahrung völlig klar war, dass man den Kotten mit seinen vielen engen Gassen und Kreuzungen unmöglich vorschriftsmäßig durchqueren konnte, hetzten sie die armen Führerscheinbewerber nach wie vor Jahr für Jahr genüsslich in dieses mit parkenden Autos vollgestopfte Labyrinth.
Der absolute Albtraum eines jeden Fahrschülers, stellte Tannenberg schmunzelnd fest, während er die Bierstraße überquerte.
Obwohl die Gartenschau aufgrund der schrecklichen Ereignisse an diesem Sonntag geschlossen war, hatten sich vor dem großen Metalltor mehrere Dutzend Menschen eingefunden, die lautstark Einlass begehrten. Sogar ein Fernsehteam war darunter.
Kaum hatte Adalbert Fouquet ›Hallo, Wolf‹ gesagt, schon war ein greller Leuchtstrahler auf Tannenberg gerichtet und eine junge Reporterin belästigte ihn mit hektisch vorgetragenen Fragen.
Aber er ließ sich nicht zu irgendwelchen Statements verleiten, sondern drückte sich durch das inzwischen von der Geschäftsführerin aufgesperrte, spaltbreit geöffnete Tor. Zeitgleich begaben sich mehrere, schwarzgekleidete Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes an das graue Metalltor und drückten es der Einlass begehrenden Meute so lange entgegen, bis es nach einem kurzen Gerangel wieder ins Schloss fiel und verriegelt werden konnte.
„Was wollen die denn alle nur hier?“
„Gaffen, Wolf. Nur gaffen. Wie bei Unfällen auf der Autobahn.“
„Oder wie bei den Gladiatoren-Kämpfen im alten Rom. Die Menschen werden sich wohl niemals ändern.“
„Du musst dir erst mal angucken, was sich vorne am Zaun des Dinoparks abspielt.“
Während die Geschäftsführerin am Eingangstor zurückblieb, machten sich Tannenberg und sein junger Kollege auf zur Dinosaurierausstellung.
Fouquet hatte nicht zu viel versprochen. Als Tannenberg die in mehreren Reihen hinter dem Maschendrahtzaun klebenden Sensationstouristen wahrnahm, entschloss er sich spontan, seine geplante Exkursion zum Barbarossawoog auf unbestimmte Zeit zu verschieben.
In sicherer Entfernung blieb er stehen und blickte gedankenversunken hinüber zu dem beeindruckenden Sandsteinmassiv, das den Dinopark von Norden her begrenzte.
Wehmütig erinnerte er sich an seine unbeschwerte Jugendzeit, in der er oft gemeinsam mit seinem Bruder und Freunden aus dem Musikerviertel herhier zum Kröckelschen Steinbruch gezogen war.
Mit zuvor im nahegelegenen Schlachthof geklauten Kälberstricken hatten sie stundenlang Klettern und Abseilen geübt. Halt für diese waghalsigen Aktionen hatten junge Birken gegeben, die auf Felsvorsprüngen ihr Wurzelwerk in die mit Erde befüllten Ritzen zwischen den Sandfelsen getrieben hatten.
Tannenberg wusste auch noch sehr gut, wie dieser Schandfleck der Stadt früher einmal ausgesehen hatte und wie man ihn dann vor einigen Jahren anlässlich der Landesgartenschau mit einem riesigen Kraftaufwand in ein attraktives Freizeitgelände umgewandelt hatte.
„Sag mal, Wolf, glaubst du eigentlich, dass Mertel recht hat?“, zerstörte plötzlich Kommissar Fouquet Tannenbergs Zeitreise.
„Was? Womit soll er recht haben“, gab er unwirsch zurück.
„Na ja, mit seiner Aufforderung, dass wir uns intensiv mit der Frage beschäftigen sollten, warum der Täter ausgerechnet diesen Ort gewählt hat, um uns seine Opfer zu präsentieren.“
Tannenberg machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, der liebe Karl mit seinen wilden Theorien. Der soll sich um seine Spurenanalysen kümmern und uns in Ruhe unsere Arbeit machen lassen.“
„Aber ganz Unrecht hat er doch nicht, oder?“, ließ Fouquet nicht locker.
„Natürlich nicht, Albert. Nur was sollen diese Spekulationen? – Oder hat die Befragung der Geschäftsführerin irgendwelche Anhaltspunkte ergeben, die auf eine Verbindung der beiden ermordeten Frauen zur Gartenschau oder gar zum Dinopark hinweisen?“
„Nein.“
„Na, siehst du.“
Etwa drei Stunden später saßen die drei Skatbrüder in Tannenbergs Küche. Sie erfreuten sich bester Stimmung. Zwei Flaschen Barbera d’Alba waren bereits geleert, die dritte ging auch schon zur Neige.
„Ach übrigens, Wolf, ich wollte dir ja noch
Weitere Kostenlose Bücher