Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
Ausdruck verleihen konnte, hatte sich Petra Flockerzie neben die LKA-Mitarbeiterin in den Türrahmen gedrängt und hielt ihr aufgeregt ein Buch unter die Nase. „Eva, stimmt das wirklich, was da steht?“ Die Sekretärin hämmerte nervös mit dem Zeigefinger auf dem Buchcover herum: „Schlank mit Spaghetti und Co. 2 bis 3 Kilo pro Woche abnehmen. Mit Nudeln?“
„Ja, Petra, ich hab’s doch selbst ausprobiert!“
„Toll, toll! Ich esse doch für mein Leben gerne Nudeln. Vielen Dank nochmal für das Buch.“
„Gerne, liebe Petra, wir Frauen müssen doch zusammenhalten.“
„Entschuldigung die Damen, wenn ich euer hochinteressantes Fachgespräch unterbreche, aber darf ich nur so nebenbei mal höflichst fragen, was die beiden Damen denn eigentlich von mir wollen? Ich stecke nämlich gerade mitten in der Arbeit.“
„Warum denn so grantig, Wölfchen? Freust du dich denn nicht, mich mal wiederzusehen?“ Sie ging zu ihm hin und drückte ihm ein Begrüßungsküsschen auf die Wange.
„Natürlich, freu ich mich. Hallo, Eva“, entgegnete Tannenberg und warf einen prüfenden Blick auf die mittelgroße, etwa 35-jährige Frau, die einen Jeansrock und eine cognacfarbene Velour-Lederjacke trug.
Ihre langen, rotgelockten Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Dadurch wirkte ihr Gesicht etwas schmaler als Tannenberg es in Erinnerung hatte.
„Wer’s glaubt wird selig! Wie man so hört, ist der Herr Hauptkommissar in letzter Zeit mächtig auf Freiersfüßen umhergewandelt und hat es nun endlich geschafft, eine meiner bemitleidenswerten Geschlechtsgenossinnen für sich zu begeistern.“
Wütend erhob sich Tannenberg von seinem Bürosessel. „Dieser Geiger, dieses alte Schandmaul ...“
„Jetzt reg dich nicht gleich wieder so künstlich auf“, würgte die Kriminalpsychologin seinen beginnenden Amoklauf ab und setzte sich auf den Besucherstuhl. Während Tannenberg schnaubend ebenfalls wieder Platz nahm, zog Petra Flockerzie es vor, sich lautlos zu verabschieden.
„Du, Wolf“, begann Eva förmlich. „Ich bin ja schon seit heute Morgen hier und hab mir bereits einen Einblick in die meisten Akten verschafft.“
„So.“
„Weißt du, was mir aufgefallen ist?“
„Nein.“
„Die eindeutigen Parallelen zu dem Fall mit dem Frauenmörder, der ...“
„Jetzt fang du auch noch mit diesem Blödsinn an!“, warf Tannenberg ungehalten dazwischen. „Was habt ihr denn nur alle für Wahnvorstellungen?“
„Wieso Wahnvorstellungen? Lass uns doch mal nüchtern die Fakten auf den Tisch legen.“
„Die Fakten? Gerne! Aber eben die knallharten Fakten und nicht irgendwelche haltlosen Spekulationen. Und die Faktenlage ist uns doch wohl allen hinlänglich bekannt. Dir jetzt nun auch, wenn du Akteneinsicht gehabt hast!“
„Genau! Und deshalb werde ich als erstes ein genaues Opferprofil erstellen.“
Tannenberg lehnte sich in seinem Sessel zurück, verschränkte die Arme vor dem Oberkörper, fixierte Eva mit einem herausfordernden, stechenden Blick. „Wieso Opferprofil? Hast du dich nicht versprochen und meinst: Täterprofil?“
„Nein, mein liebes Wölfchen, ich habe mich nicht versprochen. Zuerst werde ich nämlich herauszuarbeiten versuchen, was die beiden Frauen zu Lebzeiten miteinander verbunden hat. Das wäre das zu entwickelnde Opferprofil. Und daraus wiederum werde ich dann versuchen, Schlüsse auf ein mögliches Täterprofil abzuleiten. Klar?“
Tannenberg antwortete mit einem stummen Nicken.
„Aber ich muss noch mal auf den anderen Fall zurückkommen.“
„Nein, Eva. Das bringt doch nichts!“
„Doch, ich denke, das ist mehr als notwendig. Mir scheint nämlich, dass dein Widerwille, den Realitäten ins Auge zu blicken, auf ein ausgeprägtes Verdrängungs-Syndrom zurückzuführen ist.“
„Verdrängungs-Syndrom? Ja, bin ich denn ein Psychopath, oder was?“
Eva blieb ruhig, schüttelte nur leicht den Kopf. „Nein, aber ein Mensch. Und Menschen neigen nun eben mal dazu, die für sie unangenehmen Dinge zu verdrängen. Übrigens meistens mit großem Erfolg.“
Tannenberg war spürbar verunsichert, fühlte sich zunehmend in die Enge getrieben. Eine Situation, in der er gewöhnlich sehr aggressiv reagierte.
Aber die Psychologin nahm ihm den Wind aus den Segeln. „Ich weiß, was du jetzt denkst und wie du jetzt eigentlich am liebsten reagieren würdest: sofort wegrennen und dir einen ansaufen.“
Mit dem, was Eva gerade verlauten ließ, hatte sie ziemlich genau ins Schwarze
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