Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
und innen ganz weich ...“
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Die ersten beiden Maiwochen präsentierten sich ›für die Jahreszeit eindeutig zu warm‹, wie die Wetterberichte gebetsmühlenartig verkündeten.
Tannenberg hasste solche meteorologischen Eskapaden. Nach seiner Meinung hatte sich das Wetter zumindest grob an den ihm vorgegebenen Monat zu halten. Und Nachmittagstemperaturen von fast 30 Grad im Schatten waren nun einmal im Mai schlicht und ergreifend unzeitgemäß – fand er jedenfalls.
Wieder einmal kollidierte seine Meinung mit der überwiegenden Mehrzahl seiner Mitmenschen, die im Gegensatz zu ihm den hochsommerlichen Witterungsverhältnissen viel Positives abzugewinnen vermochten und fröhlich die Straßencafés und Biergärten bevölkerten.
Seit ihrem Bestehen hatte die Gartenschau zu diesem frühen Zeitpunkt noch nie derart hohe Besucherzahlen registriert. Was natürlich zum einen auf die ungewöhnlich günstigen klimatischen Bedingungen zurückzuführen war, die das weitläufige Gelände in ein wahres Blütenmeer verwandelt hatte.
Was zum anderen aber auch darin begründet lag, dass aufgrund der überregionalen Berichterstattung über die nach wie vor ungeklärten spektakulären Mordfälle, sich der eines seiner Rückenstacheln beraubte Stegosaurus immer mehr zur Hauptattraktion entwickelte.
Tag für Tag strömten Heerscharen von Sensationstouristen zum Barbarossawoog, picknickten auf den umliegenden Rasenflächen und ließen sich vor dem mächtigen Sandsteinmassiv für die Nachwelt festhalten.
Den Kennzeichen der Reisebusse konnte man entnehmen, dass sich die Besuchergruppen nicht nur aus dem gesamten Bundesgebiet, sondern auch aus dem benachbarten Ausland zur größten Dinosaurier-Ausstellung Europas aufgemacht hatten.
Im Gegensatz zu ihrem Namensvetter hatte die vor mehreren Wochen ins Leben gerufene Sonderkommission ›Gartenschau‹ nicht den geringsten Grund zur Freude. Von Fernseh- und Zeitungsredakteuren mit Häme und Kritik überzogen, der Unfähigkeit bezichtigt oder mit Störfeuern in Form des von der PALZ initiierten und sich unglaublicher Popularität erfreuenden ›Mörderspiels‹ malträtiert, arbeiteten die Kriminalbeamten der SOKO zwar mit einem über die Belastungsgrenzen hinausgehenden Engagement an der Aufklärung der mysteriösen Tötungsdelikte, aber ein erfolgversprechender Ermittlungsdurchbruch wollte und wollte einfach nicht gelingen.
Die ihrerseits massiven öffentlichen Anfeindungen ausgesetzten Vertreter von Staatsanwaltschaft und Innenministerium trugen mit ihren permanenten Interventionen auch nicht gerade zu einer Entschärfung der sowieso schon recht prekären Situation bei.
Angesichts dieser äußerst angespannten Lage war es nicht verwunderlich, dass Tannenberg eines Nachmittags, als er beim Verlassen des Polizeipräsidiums von einem Pulk allzu aufdringlicher Journalisten am Weitergehen gehindert wurde, sehr heftig reagierte und sich mit Gewalt einen Weg durch die Menge bahnte.
Während dieser ›Befreiungsaktion‹, wie Tannenberg selbst seine Handgreiflichkeiten nannte, war er anscheinend etwas unglücklich mit der Digitalkamera eines Fotografen zusammengestoßen – wie er es formulierte.
Mit seinem jähzornigen Aktionismus handelte er sich nicht nur eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung ein, sondern kam zudem auch noch in den Genuss eines unfreiwilligen Fernsehauftritts in den Landesnachrichten. Der kurze Filmbeitrag stützte jedoch nicht die Version des SOKO-Leiters, sondern zeigte in unbestechlichen Bildern, dass Tannenberg wutentbrannt dem Fotografen die Kamera entrissen und sie auf den Bürgersteig geworfen hatte.
Tannenbergs Vorgesetzte waren verständlicherweise alles andere als begeistert von diesem spektakulären Medienauftritt. Kriminaldirektor Eberle nahm sich den Leiter der SOKO ›Gartenschau‹ deshalb intensiv zur Brust und verordnete ihm anschließend eine disziplinarische Maßnahme, die für Tannenberg viel schlimmer war als alle anderen denkbaren Sanktionen: Er musste nämlich die beiden mysteriösen Mordfälle in der Sendung ›XY-ungelöst‹ vorstellen.
Selbstverständlich schnitt Heiner den Live-Auftritt seines Bruders mit. Tannenberg jedoch weigerte sich strikt, auch nur einen einzigen Blick in das Video zu werfen. Die Vorstellung, sich selbst bei einem Interview im Fernsehen hören und anschauen zu müssen, erschien ihm unerträglich. Ihm reichten voll und ganz die spöttischen Bemerkungen, die nach Ausstrahlung der Sendung aus seinem näheren
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