Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
während er die beiden Bierflaschen ihrer Kronkorken beraubte. „Der konnte doch gar nicht anders!“ Wieder prustete er los. „Das ist doch nur eine arme Sau! – Junge, und wir sind jetzt bald reich, stinkreich!“
„Aber ... sie hat doch ... überlebt“, bemerkte Peter stockend.
„Ja und? Wo ist denn da das Problem?“ Als er von seinem Gegenüber außer einem müden, verklärten Blick keinerlei Reaktion erfuhr, ergänzte er: „So ein versuchter Mord ist genauso gut wie ein ausgeführter.“
„Aber wenn dich jemand gesehen hat?“
„Mich hat ja in der Tiefgarage jemand gesehen.“
„Was?“ Peter Walther gefror das Wort im Mund.
„Ja, zwei alte Leute. Die haben dann gleich fürchterlich laut angefangen zu schreien.“
„Oh Gott! Jetzt ist alles aus!“ Er schlug die Hände vors Gesicht, begann jämmerlich zu schluchzen.
„Quatsch! Ich hatte doch ’ne dicke Strickmütze über. Damit war mein Gesicht total verdeckt. Bis auf die beiden Sehschlitze.“
Allem Anschein nach genügte diese Aussage jedoch nicht, Peters psychischem Zusammenbruch etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen. Er kauerte weiterhin wie ein Häuflein Elend auf seinem Küchenstuhl.
Paul erhob sich, trat neben seinen Bruder und legte ihm die Hand auf dessen linkes Schulterblatt. „Peter, uns kann wirklich überhaupt nichts passieren. Der Ausgang des Parkhauses befindet sich mitten in der Mainzer Fußgängerzone. Ich bin da garantiert niemandem aufgefallen. Und die Drahtschlinge hab ich ja auch mitgenommen.“
„Sei ruhig! Ich will nichts mehr davon hören“, bettelte Peter.
Paul schien die Worte seines älteren Bruders nicht vernommen zu haben, denn ohne jegliche Rücksicht auf dessen in flehentlichem Ton vorgetragene Bitte fuhr er fort: „Nur eine Tüte mit Würfeln, Paketband und unserem lateinischen Lieblingsspruch hab ich absichtlich zurückgelassen. – Einfach genial!“
Anschließend begab er sich wieder auf die andere Seite des Küchentischs und trank im Stehen an einer der unberührten Bierflaschen. Während er voller Inbrunst einen geräuschvollen Rülpser ausstieß, nahm er Platz und fixierte mit einem stechenden Blick seinen Bruder. „Komm, jetzt hast du genug gejammert. Reiß dich mal am Riemen. Junge, wir haben’s fast geschafft!“
Peter ließ schlaff die Arme auf den Tisch niedersinken und sagte dabei: „Glaubst du das wirklich?“
„Klar, alter Junge. Wir dürfen jetzt nur keinen Fehler mehr machen. Du gehst jeden Tag ins Amtsgericht und ich zum Arbeitsamt. So wie immer!“
„Du hast gut reden. Ich bin nicht so abgebrüht wie du.“
„Dann musst du dich eben dazu zwingen! Denk immer daran, was für dich auf dem Spiel steht. Nicht nur die ganze Kohle, liebes Brüderlein, auch die Tatsache, dass der Knast auf dich wartet.“
Dieses Furcht erregende Wort fuhr ihm wie ein Blitz ins Mark. Er zuckte erschrocken zusammen. Paul bemerkte sofort diese Reaktion. „Aber so weit muss es ja gar nicht kommen. Wird es auch gar nicht kommen! Wenn du dich auch weiterhin ganz unauffällig verhältst. Das hat ja die letzten Wochen auch geklappt. Warum sollten die Bullen ausgerechnet jetzt, wo sie noch stärker in eine ganz andere Richtung ermitteln, auf uns kommen? Das leuchtet dir doch hoffentlich ein, oder?“
Mit einem stummen Kopfnicken bekundete Peter seine Zustimmung.
„Was ist denn eigentlich mit den Amis? Läuft da alles nach Plan?“
„Ja.“ Plötzlich kam Leben in den Nachlassverwalter. „Ich hab denen letzte Woche noch mal ein Fax geschickt und ihnen darin mitgeteilt, dass die Erbenermittlung wegen Arbeitsüberlastung und sehr schwieriger Recherche wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.“
„Gut, Brüderlein, sehr gut! Damit zögert sich alles noch weiter hinaus.“ Mit zufriedener Miene lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. „Da kann jetzt richtig schön Gras über die Sache wachsen. Und ob wir nun einen Monat früher oder später an unser Geld kommen, ist doch wohl egal, oder?“
„Ja, die Hauptsache, es kommt keiner auf uns – hoffentlich.“
„Klar geht das gut! Du wirst schon sehen. Im Sommer machen wir alle erstmal schön Urlaub, und wenn dann im Herbst die ersten Blätter anfangen zu fallen, gibst du den Amis Bescheid.“ Paul klatschte freudig in die Hände. „Und wenn’s bis Weihnachten dauert. Das ist doch völlig egal. Wir haben so lange auf diese verdammte Glückssträhne gewartet. Da kommt’s auf ein paar Monate mehr oder weniger auch nicht mehr an!“
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Durch
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