Diplomat Im Abseits
hatte sich mit einem Taxi nach Bonn bringen lassen. Er wollte versuchen, vor dem Gespräch mit dem Kriminalkommissar noch zwei oder drei Stunden zu schlafen, denn im Flugzeug hatte er keine Entspannung gefunden. Doch es gelang ihm nicht, so daß er sich schon kurz nach sieben Uhr zu Fuß auf den Weg zum Präsidium machte. Die frische Luft würde ihm guttun.
Fräulein Kuhnert hatte ihren Mantel in den Schrank gehängt und die Schutzhülle von der Schreibmaschine entfernt, als der Besucher vom Pförtner gemeldet wurde.
»Ja, der Herr wird von Kommissar Freiberg erwartet; Zimmer 306 bitte.«
Botho von Campen war früher als der Kommissar im Vorzimmer. Nachdem er seinen Namen genannt hatte, bat er um Entschuldigung für sein frühes und unangemeldetes Erscheinen. »Ich habe einfach keine Ruhe gefunden und wollte so schnell wie möglich Näheres erfahren.«
Durch die Ankunft Freibergs war Fräulein Kuhnert der Verlegenheit enthoben, sich mit dem doch wohl tief betroffenen Mann unterhalten zu müssen. In solchen Situationen war die sonst so schlagfertige Kommissarin ehrenhalber gehemmt und wortkarg. Sie rief Lupus in seinem Zimmer an, der gespannt die Morgenzeitungen durchblätterte, um zu sehen, wie Mauser in seinen Berichten taktiert hatte.
»Von Campen ist beim Chef.«
»Ich komme.«
Die Routine im Kommissariat sorgte dafür, daß Freiberg in der erweiterten Runde sofort zur Zeugenvernehmung übergehen konnte. »Herr von Campen, die Angelegenheit ist von so großer Bedeutung, daß ich meinen Mitarbeiter Kriminalhauptmeister Müller dabei haben möchte. Fräulein Kuhnert wird das von Ihnen zu unterschreibende Protokoll aufnehmen. Tonband oder Stenogramm – was würden Sie vorziehen?«
»Mir ist beides recht.«
»Also Stenogramm. – Kommen wir gleich zur Sache. Die Vorgeschichte habe ich Ihnen eben skizziert.« Kommissar Freiberg reichte den Schlangenring über den Tisch. »Ist das der Ring, den Sie Ihrer Gattin in Rom geschenkt haben?«
Botho von Campen betrachtete jedes Detail, dann drehte er den Ring so, daß die Innenseite vom Licht erfaßt wurde. »ROMA! Ja, kein Zweifel; das ist ihr Ring.«
»Sind Sie stark genug, daß ich Ihnen ein paar Fotos zeigen kann? Die Tote aus dem Rhein ist durch Kollisionen mit Schiffen und durch die Baggerarbeiten sehr verstümmelt.«
Die Antwort war nur ein kurzes Nicken.
Freiberg legte ein halbes Dutzend Fotos auf den Tisch. Es waren nicht die schlimmsten Aufnahmen.
»Das ist ja schrecklich!« stöhnte von Campen. »Ich bin ziemlich sicher, daß die Tote meine Frau ist.«
Freiberg widerstand dem Zwang, aufzustehen und förmlich sein Beileid auszusprechen. Er sagte nur: »Sie haben unser ganzes Mitgefühl. – Der Tod ist nach dem Gutachten der Rechtsmedizin vor etwa sechs Tagen eingetreten. War das nach Ihrem dienstlichen Aufenthalt in Bonn?«
Von Campen überlegte. »Das muß noch vor meinem Rückflug gewesen sein. Ich bin am Mittwoch vor einer Woche von Hamburg mit der Swirna-Airlines abgeflogen, non-stop bis Swirnabad.«
»Und wie sind Sie von Bonn nach Hamburg gekommen?«
»Mit einem Opel Omega, den ich sofort nach meiner Ankunft in Hamburg gemietet hatte. Damit ist man für die Zeit eines Kurzaufenthaltes beweglicher. Ich mache das auch im Ausland so.«
»Wäre es nicht günstiger, von Köln-Bonn zu fliegen?«
»Vielleicht; aber als Anthropologe interessieren mich die Fluglinien der Entwicklungsländer. Mich fasziniert, wie diese Menschen mit der modernen Technik fertig werden.«
Freiberg nickte. »Es sieht in der Tat so aus, als wäre Ihre Frau noch während Ihres Bonn-Aufenthaltes Opfer eines Verbrechens geworden.«
Botho von Campen sprang bei diesen Worten auf und ging ein paarmal auf und ab. Als er sich wieder hingesetzt hatte, fragte der Kommissar: »Können Sie sich vorstellen, wer das getan haben könnte?«
»Das ist mir alles unerklärlich, vollständig unerklärlich.«
»Aber Sie haben Ihre gemeinsame Wohnung in der Viktoriastraße – Ihre Adresse ›B. von Campen‹ steht jedenfalls im Telefonbuch. Sie müßten doch zumindest eine Ahnung haben, ob Ihre Frau bedroht worden ist.«
Es schien, als ob der Gefragte begann, seine Worte genau zu wägen, als er antwortete: »Es ist die Wohnung meiner Frau. Das B. steht für Bari – nicht für Botho. Ich habe das Kürzel damals bewußt gewählt, um die lieben Kollegen nicht unnötig darauf zu stoßen, daß wir getrennt leben.«
»Und wo haben Sie selbst gewohnt?«
»In der Bismarckstraße; aber das
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