Diplomat Im Abseits
plaudernden Gästen wie eine Piazza in Mailand oder Rom wirkte.
Von Campen schritt nach einem weiten Bogen um den Brunnen auf das Rathaus zu, von dessen Freitreppe Gorbi und Raissa den Deutschen im allgemeinen und den Bonnern im besonderen Frieden und Freundschaft verkündet hatten. Peters war dabei gewesen, als der kleine Sebastian plötzlich vor der Absperrung stand und unter den Augen der Fernsehteams aus aller Welt mit einem Blumenstrauß winkte. Sebastian war wohl der erste Bonner, der von den Staatsgästen öffentlich auf den Arm genommen wurde.
Von Campen nahm nicht an einem der freien Tische Platz, sondern verschwand im Restaurant »Em Höttche«. Drinnen war es wie immer voll und eng, so daß Peters sich entschloß, nicht mit hineinzugehen; dort wäre er seinem Objekt zu nahe gewesen.
Mit einem schön langsam gezapften Pils ließ es sich am Tisch auf dem »Dreieckigen Marktplatz« wohl aushalten. Reflexe der Leuchtreklame spielten auf den goldenen Buchstaben STERN-HOTEL. Peters wunderte sich, daß die Kinos zu seiner Rechten so gut besucht wurden – aber die Mischung von Sex und Crime zog wohl immer noch. Von den Tischen auf der gegenüberliegenden Seite kam der Geruch von Pizza und diversen Kräutern herüber. Unbeirrt hüpften Tauben am Obelisk-Brunnen auf dem Pflaster herum und suchten nach Resten, die vom täglichen Markt – trotz der fleißigen Kehrmännchen – in den Ritzen und Fugen hängengeblieben waren.
Nach einer knappen Stunde tauchte von Campen in der Tür vom »Em Höttche« auf und nahm den kürzesten Weg zum Bahnhof.
Peters hatte nur noch das Geld auf den Tisch legen können und mußte sich anstrengen, seinem Objekt zu folgen. Vor den Schaufenstern der Universitätsbuchhandlung Bouvier schien von Campen nur Interesse an der Sammlung der Bilder zu haben, auf denen die Ordinarien der Friedrich-Wilhelms-Universität zur wohlfeinen Orientierung ihre Köpfe darboten.
Die schnelle Drehung auf dem Absatz schien ein Tick von Campens zu sein; sofort ging er, ohne rechts oder links zu schauen, im Schnellschritt zurück zur Bismarckstraße.
Peters spürte die alten Narben und war froh, daß er über sein Sprechfunkgerät den Beobachter Nummer zwei zur Ablösung herbeirufen konnte. Lupus hatte hierfür seinen Kommissar eingeteilt, um selbst ab zwei Uhr früh die nervtötende Morgenrunde zu übernehmen.
Freiberg hatte sich von einem als Arbeitswagen getarnten Fahrzeug am Clara-Schumann-Gymnasium absetzen lassen und war die letzten Schritte zu Fuß gegangen.
»Na, wie sieht’s aus, Peters?«
»Der Kerl rast durch die Stadt, daß einem die Luft wegbleibt. Vom Alten Zoll hat er minutenlang zur Kennedybrücke hinübergestarrt, dann ›Em Höttche‹ gegessen, bei Bouvier Professorenbilder betrachtet und ist danach im Geschwindschritt hierher zurückgerast.«
»Ist irgendwo eine Frau aufgetaucht?«
»Nein, von Campen hat mit niemandem Kontakt gehabt, es sei denn ›Em Höttche‹, als ich draußen mein Bier getrunken habe. Mit hineinzugehen war mir zu riskant.«
»Es war schon besser so. – Aber keine Frau in der Nähe?!«
Peters deutete zur Pension Hennering hinüber. »Vielleicht hat ihn die Dame seines Herzens drinnen erwartet, aber Licht hat nicht gebrannt, als ich hier ankam.«
»Es wär’ ja auch zu schön gewesen. Andererseits halte ich unseren Diplomaten nicht für so dumm, daß er sich unter den Augen der Polizei mit seiner Neuen trifft. Also üben wir uns in Geduld – und du gehst erst einmal in die Falle. – So long!«
Die Nacht wurde kühl. Freiberg konnte nur wenige hundert Meter hin und her gehen, wenn er die Pension Hennering im Auge behalten wollte. Er war viel zu leicht angezogen und fror erbärmlich. Die Stunden schienen aus mehr als sechzig Minuten zu bestehen. Nur die Vorstellung, daß er sich später hinter Gittern bei seiner studentischen Hilfskraft wieder aufwärmen konnte, machte die verrinnende Zeit erträglich.
Bis zur Ablösung um zwei Uhr geschah nichts – Freiberg fühlte sich wie ein Eisklotz. Die einweisenden Worte für Lupus hätten kaum spärlicher ausfallen können.
»Botho von Campen ist im Haus. Peters hat ihn in der Stadt beobachtet und bis hierher nicht aus den Augen gelassen; von Campen hat mit niemandem Kontakt aufgenommen. Ob jemand in seinem Quartier auf ihn gewartet hat, wissen wir nicht. Seit kurz vor Mitternacht ist das Licht gelöscht und alles ruhig. Wann soll Ahrens dich ablösen?«
»Um sieben Uhr; der macht’s dann bis eins. Danach
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