Diplomat Im Abseits
ist Singer dran.«
»Am Nachmittag werden wir unserem Objekt noch einmal auf den Zahn fühlen. Wir wollen uns doch mal anhören, was er von Stewardessen und im besonderen von Purseretten hält. – Mach’s gut!«
Obwohl es Sommer war, hatte Lupus sich mit seiner Winterkluft ausgestattet: dick gefütterter Parka, Thermohose und warme Schuhe, dazu ein Hut, der ihn wie Mario Adorf aussehen ließ. Er wußte, daß Beobachtungen in der zweiten Nachthälfte an der Körpertemperatur zehren.
Im Hause Hennering tat sich nichts. Von weit her tönte das Krakeelen eines nächtlichen Zechers durch die Stille der Nacht, die nur hin und wieder von einem vorüberfahrenden Auto gestört wurde.
Als es hell zu werden begann, stiegen die ersten Berufstätigen müde und träge in die Straßenbahn. Plötzlich öffnete sich die Tür zur Pension; Lupus trat hinter den Stamm eines Baumes. Über die drei Eingangsstufen wieselte ein kleiner Vierbeiner zum Straßenrand. Der Hund hatte die Größe einer ausgewachsenen Ratte und begann, die nächststehenden Bäume mit seiner Duftmarke zu beehren. Am Stamm, hinter dem der beobachtende Lupus lauerte, zögerte das Minigewächs, sein Bein zu heben. Mit einem erschreckten Blaffen sauste es zurück ins Haus. Von unsichtbarer Hand wurde die Tür wieder geschlossen.
Ahrens kam schon eine Weile vor der vereinbarten Zeit. »Hab’ mir gedacht, daß die letzte Stunde besonders hart ist und der Bettzipfel eine enorme Anziehungskraft ausübt. – Wie ist die Lage?«
»Unser Mann schläft – offensichtlich allein. Wenn er rauskommt – sofort hinterher, egal wohin. – Tschüß dann!«
Lupus hatte die Ente seiner Tochter an der Argelanderstraße in Höhe der Botschaft von Senegal abgestellt und war froh, daß er vor Beginn der morgendlichen Rushhour nach Plittersdorf brausen konnte, wo ein deftiges Frühstück auf ihn wartete – und ein weiches Lager, gut angewärmt.
Für Ahrens begann der richtige Dienst zwei Stunden später. Kurz vor neun verließ Botho von Campen ohne Begleitung die Pension. Er trug einen grauen Trenchcoat und einen dazu passenden Travellerhut. Ohne nach rechts oder links zu blicken, machte er sich auf den Weg Richtung Zentrum, bog dann aber zum Juridicum ab. Ahrens dachte schon, daß sein Objekt hier mit jemandem verabredet war, doch von Campen ging weiter, an der Universitätsbibliothek vorbei über die Erste Fährgasse zum Rhein.
Am Brassertufer hatten die Fahrgastschiffe der Weißen Flotte festgemacht und warteten auf Touristen, die an schönen Tagen zu Hunderten ihre Bötchenfahrt genießen wollten, wobei Wein, Weib und Gesang gewiß nicht zu kurz kommen würden. Von Campen steuerte das Kassenhäuschen der Bonner Personenschiffahrt an und löste einen Fahrschein. Ahrens stand zu weit entfernt, um die Angabe des Zielorts verstehen zu können. Aufs Geratewohl forderte er »einmal Remagen und zurück«.
Die Sonne hatte sich schon weit in den fast wolkenlosen Himmel geschoben, doch am Wasser war es noch kühl. Der Katamaran mit dem Traditionsnamen »Filia Rheni« dümpelte am Landungssteg. Eine Klasse zwölf- bis vierzehnjähriger Schüler stürmte mit Geheul an Deck der schneeweißen Tochter des Rheins. Gruppen von Angelsachsen, Niederländern, Belgiern und Deutschen mischten sich mit den Einzelreisenden und bestaunten das Doppelrumpfschiff, auf dem vierhundert Gäste Platz finden konnten.
Ein paar Schiffslängen weiter südlich lag die neue »Beethoven« vor Anker und wurde mit Lebensmitteln und Getränken vollgepackt. Es sah ganz so aus, als hätte das Bundespresseamt oder ein Ministerium dieses Renommierschiff gechartert. Vielleicht war es auch ein potentes Unternehmen, das durch einen feucht-fröhlichen Betriebsausflug die Arbeitsfreude fördern wollte.
Ahrens konnte sich nicht vorstellen, daß von Campen zu einer Vergnügungsreise an Bord der »Filia Rheni« gegangen war. Auf so einem Ausflugsdampfer ließen sich Kontakte leicht und unauffällig herstellen.
Der Katamaran war zu dieser Morgenfahrt schon gut besetzt. Von Campen hatte auf dem Oberdeck an einem der vorderen Tische Platz genommen und konnte den Strom weit voraus und in seiner ganzen Breite überblicken.
Ahrens stand an der Backbordreling und wechselte auch mal nach Steuerbord hinüber, wenn das Ufer dort interessanter war. Doch er behielt stets von Campen im Auge.
Trotz der starken Maschinen ging die Bergfahrt langsam voran, so daß viel Zeit blieb, das Panorama zu betrachten. Über dem Auswärtigen Amt
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