Diplomat Im Abseits
am Wilhelm-Spiritus-Ufer reckten zahlreiche Antennen ihre Arme in den Himmel, um Nachrichten der deutschen Missionen in aller Welt aufzufangen. Das Haus des Bundespräsidenten blieb weitgehend durch das Grün des Parks der Villa Hammerschmidt verdeckt. Bald darauf schob sich die flache Silhouette des Bundeshauses bis dicht an das Ufer. Die ehemalige Pädagogische Akademie hatte trotz mancher Umbauten ihren Bauhauscharakter nicht verloren. Ganz zivil und bürgernah schloß sich das Haus der Bonner Rudergesellschaft an. Ein Vierer wurde soeben zu Wasser gelassen.
Das alte Wasserwerk etwas weiter südlich diente während des Umbaus des Bundeshauses als Plenum. Es sollte später zur Sondernutzung zur Verfügung stehen. Nur wenige Meter weiter stromaufwärts beherrschte der Lange Eugen das Bild; das Abgeordneten-Hochhaus mit seiner Möchtegernarchitektur steckte wie ein Pfahl im Fleisch in der sanft ausschwingenden Landschaft.
Beim Anlieger in Bad Godesberg kamen neue Fahrgäste an Bord. Ahrens schlenderte näher an von Campens Tisch heran; hier hatte ein junges Paar Platz genommen, das soeben zugestiegen war. Die beiden schenkten ihrem Tischnachbarn keinen Blick. Sie waren vollauf damit beschäftigt, die in ihrer Panoramakarte eingezeichneten Ansichtspunkte zu identifizieren. Sie sprachen sächsisch und begnügten sich mit einer Flasche Mineralwasser, die aber kaum billiger war als ein Schoppen Wein. In Höhe des Drachenfels tönte es immer wieder: »Ei gucke mol…!«
Auch Ahrens wußte nicht, ob das schließlich angepeilte Haus in Rhöndorf der Wohnsitz Adenauers war.
Von Campen saß unbeteiligt und – wie es schien – in sich gekehrt auf seinem Platz. Er trank ein Glas Kölsch, das er sofort bezahlt hatte, und ließ seine Augen immer wieder von einem Ufer zum anderen wandern. Lange musterte er die einander gegenüberliegenden Inseln Nonnenwerth und Grafenwerth und den Hafen für Sportboote in Oberwinter.
In Remagen sprang er auf und verließ das Schiff, als wäre er auf der Flucht. Es ging quer durch die Stadt zum Bahnhof. Ahrens hoffte nur, daß sein Objekt den Ausflug beenden und nach Bonn zurückfahren möge, denn für weiter entfernte Ziele reichte das Geld nicht.
Ahrens hatte einen Fahrschein nach Bonn gelöst und nahm erleichtert wahr, daß Botho von Campen zum Gleis in Richtung Köln ging. Minuten später stieg er in einen schwäch besetzten Nahverkehrszug ein und wählte einen Fensterplatz.
Ahrens war dankbar, daß er sich in dem fast leeren Großraumwagen in die von einem Fahrgast zurückgelassene Bild-Zeitung vertiefen konnte. Nichts deutete darauf hin, daß sich von Campen beobachtet fühlte. Im Hauptbahnhof Bonn stieg er aus, kaufte den General-Anzeiger und ging mit schnellen Schritten zurück in Richtung Südstadt.
Ein Krankenwagen mit Blaulicht, der zum St. Petrus-Krankenhaus einbog, konnte den Eilenden nur kurz aufhalten. So rast nur einer durch die Landschaft, der einen Termin einhalten will, dachte sein Verfolger, dem es dank seines sportlichen Trainings nicht schwerfiel, das Tempo mitzuhalten.
Vor dem Antiquitätengeschäft »Asiatica« stoppte Botho von Campen seinen Geschwindmarsch. Aus der Tür war eine zierliche, ^dunkelhaarige Frau getreten, die einen leichten Mantel trug. Erst verhielt sie einen Moment, dann ging sie mit ausgestreckten Armen auf von Campen zu und ließ sich von ihm mit Wangenküßchen begrüßen. Beide wandten sich dem Schaufenster zu und sprachen aufeinander ein.
Ahrens entschloß sich, weiterzugehen, direkt an dem Paar vorbei. Als er sich bis auf zwanzig Meter genähert hatte, drehte sich die Frau um und ging in das Geschäft zurück. Von Campen wartete und betrachtete die Auslagen.
Als Ahrens in Höhe des Schaufensters angekommen war, trat die Frau schon wieder aus der Tür. Für Ahrens gab es kaum einen Zweifel, daß er eine Thailänderin vor sich hatte, elegant und teuer gekleidet. Er überquerte den Bonner Talweg, um vom Clara-Schumann-Gymnasium aus die Bismarckstraße im Auge zu behalten. Wenige Sekunden später war Botho von Campen mit seiner Begleiterin in der Pension Hennering verschwunden.
Ahrens wollte jetzt nicht das Sprechfunkgerät benutzen; er ging zur Telefonzelle am nahe gelegenen Taxistand und rief das Präsidium an. Fräulein Kuhnert freute sich, die Stimme ihres Goldjungen zu hören. Aber der hatte keine Zeit für schöne Worte. »Ich brauche ganz schnell den Chef!«
»Für eine halbe Stunde nicht da«, kam es genauso kurz zurück. »Ich
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