Diplomat Im Abseits
frage mich nun zum x-ten Mal, warum von Campen mit der SAL ab Hamburg fliegt, wenn die Lufthansa praktisch vor der Tür auf ihn wartet. Nehmen wir mal an, das Forschungsinteresse ist nur vorgeschoben, dann…«
»… ist eine Frau im Spiel«, vollendete Biestritz den Satz.
Freiberg schob sein Lineal hin und her. »Genau das denke ich auch. Aber wenn es eine Frau in Hamburg gäbe, würde unser Diplomat nicht nur zum Flugplatz preschen; er würde sich Zeit nehmen für Hamburg und seine Deern.«
»Nun fang nicht an, dich mit dem norddeutschen Dialekt zu versuchen. – Fest verankert ist der Mann demnach hier nicht?«
»Ich weiß es nicht; aber das ist noch alles unklar. – Du könntest mal die An- und Abflugzeiten der SAL checken. Vielleicht läßt sich dadurch das Puzzle etwas näher zusammenschieben.«
»Wird gemacht. – Aber nun nimm du dich auch meiner Not an. Was besagt die Telefonnummer eurer Toten im Reisepaß unserer Toten, einer Thai, die im Babylon, dem teuersten Puff in St. Georg, abgestiegen war?«
»Daß die beiden sich kannten«, sagte Freiberg spontan.
»Genau – und zwar aus Thailand, wie ich vermute. Wenn man nur wüßte, ob sie miteinander telefoniert haben.«
»Und worüber sie geredet haben!«
»Du verlangst viel. Aber Tote sind stumm, jedenfalls, was die Sprache angeht. Doch zum Teufel mit den Kalauern! Sollte dein Kulturreferent daran interessiert sein, daß beide Frauen nichts mehr sagen können? – Das wäre ja ‘n Ding! Aber warum? – Ich werd’ mal bei der Swirna-Airlines ansetzen. Das ist bisher der einzige feste Punkt, um unsere Scheinwelt aus den Angeln zu heben.«
Freiberg stieß das Lineal mit dem Mittelfinger ein paar Millimeter weiter. »Gut! Schick mir bitte eine Totalkopie der Vermißtenakte und auch eine vom Reisepaß – und gib Laut, wenn du mehr weißt. Ich melde mich dann ebenfalls. Hummel, Hummel!«
»Das liegt nun schon wieder daneben, Walter, denn die klassische Antwort des Wasserträgers auf diesen Gruß lautet: Mors, Mors! und bedeutet: Leck mich… Aber das möchte man doch seinen Freunden nicht zumuten. – Also mach’s gut und grüß den Kanzler von mir.«
»Gern, denn auf den kommt’s an.«
18
Eine schwere Hundekette mit Karabinerhaken, wie sie im Mordfall Bari von Campen verwendet worden war, hatten drei Bonner Geschäfte im Angebot. Peters und Ahrens waren mit ihrer Pflastertreterei ganz und gar nicht zufrieden. Kein Verkäufer konnte sich zuverlässig daran erinnern, ob und wann eine solche Kette verkauft worden war. Mal wurde ein Mann, mal eine Frau genannt, doch die Bilder der Käufer blieben diffus.
Für den Rest des Vormittags hatte sich Freiberg zum Zahnarzt abgemeldet; er hatte im Müslifutter der Kuhnert auf einen Stein gebissen und eine Plombe aus dem Backenzahn links oben verloren. Erst am späten Nachmittag waren die Mitarbeiter der Mordkommission des 1. K. wieder in Zimmer 306 versammelt, um den Stand der Ermittlungen zu besprechen.
»Es sollte mich nicht wundern, wenn die Hunde ihre Ketten selbst gekauft hätten«, knurrte Peters, als er über den Mißerfolg der Rundtour durch die Geschäfte berichtete.
»Etwas mehr Aufmerksamkeit der Verkäufer dürfte man doch wohl erwarten. Schließlich ist auch der Hunde-Kunde König.«
»Um uns die Sache zu erschweren, gibt’s die Dinger auch noch in verschiedenen Preisklassen«, ergänzte Ahrens den Kurzbericht.
Freiberg winkte ab. »Der Täter dürfte in unserem Fall wohl kaum auf den Preis geachtet haben. Aber die Kette muß ja nicht hier in der Stadt gekauft worden sein; wenden wir unsere Aufmerksamkeit erst mal den Betonklötzen zu.«
Lupus hob resigniert die Schultern. »Die Firma A-H hat in das ganze Rheinland geliefert, sie scheint ein Monopol für diese Zaunfüße zu haben. – Wenn wir die Sache ganz nüchtern betrachten, kommt eine Entwendung an der Baustelle des Bundeshauses am wenigsten in Betracht. Von dort sind es zwar nur einige Meter bis zum Rhein, aber am Stresemannufer stehen unsere uniformierten Kollegen in der Landschaft herum. Viel zu riskant, sich dort als Dieb zu betätigen. Das haben wir ja selbst erlebt. Uns bleibt also nur die Großbaustelle zwischen Rolandswerth und Oberwinter. Da könnte jeder zugreifen, ohne aufzufallen.«
»Stimmt«, erklärte Freiberg. »Aber eines ist für mich unzweifelhaft: Mit einem solchen Klotz am Bein wird keine Leiche transportiert. Die arme Bari dürfte erst unmittelbar vor der Versenkung angekettet worden
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