Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Diplomat Im Abseits

Titel: Diplomat Im Abseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
Vom Netzwerk:
schreibe auf, was du loswerden willst, und lege es ihm vor.«
    »Also Nachricht für Chef 1. K.: Von Campen hat eine Rheinfahrt bis Remagen gemacht und ist mit der Bahn zurückgefahren. Unterwegs keinerlei Kontakte. Soeben hat er auf dem Bonner Talweg eine Frau getroffen, die aus dem Antiquitätengeschäft ›Asiatica‹ gekommen ist; ich vermute eine Thailänderin. Die beiden müssen sich gut kennen – nach der Begrüßung zu schließen. Sie ist dann kurz in das Geschäft zurückgegangen; wahrscheinlich hat sie eine Nachricht hinterlassen. Jetzt sind beide in der Pension Hennering. Ich beobachte weiter. – Das wär’s, mein Engel. Mach’s gut und bleib mir treu.«

 
    19
     
     
     
    Die Tote aus dem Nicolaifleet hatte im Hamburger Abendblatt einen Dreispalter mit einem großformatigen Foto der Bergungsaktion, in BILD einen dicken Kasten und in der Morgenpost den Aufmacher mit zwei Bildern bekommen. Eine Thailänderin, die, wie es nach dem ersten Eindruck schien, freiwillig in die Elbe gegangen war, bot einen guten Anlaß, um über das Schicksal der rechtlosen Frauen auf dem Sexmarkt zu räsonieren und nach dem Gesetzgeber zu rufen. Aber Bonn war diesen Problemen so fern, wie unser Planet den Fixsternen der Milchstraße. In den Ministerien bastelte man lieber an den Gesamtdeutschen Problemen herum und dementierte Gerüchte über notwendige Steuererhöhungen für die Einheit. Deutschland als ganzes war ein Dauerthema für Schubkastendenker. Einzelschicksale spielen in großer Zeit keine so besondere Rolle. Ihre Probleme wurden dadurch gelöst, daß man sie multiplizierte, auf die Ebene des Grundsätzlichen hob und zum Stoff für Arbeitsgruppen oder Denkschriften machte.
    Paulette hatte eine Zeitung gekauft, um sich nach einer billigeren Bleibe umzusehen, wohl wissend, wie schwer es war, in Konkurrenz mit den Um- und Übersiedlern oder den Altfällen etwas Adäquates zu finden. Nachdem sie im Babylon gehört hatte, daß Subin ohne ihren Paß verschwunden war, fehlte Paulette der Mut, zu Naval in den Goldkäfig am Jenischpark zurückzukehren; sie fürchtete seine Wutanfälle und hatte Angst, wie Subin eines Tages zu verschwinden, ohne daß man eine Spur von ihr fand. Aber im »Oldsmobile« neben der Davidwache konnte sie auch nicht bleiben, denn hier überwogen die Ausgaben bei weitem ihre Einnahmen. Und anschaffen, nur um dem geldgierigen Wirt ihren ohnehin nicht riesigen Verdienst in den Rachen zu schmeißen, wollte sie nicht.
    Paulette schlug die Zeitung auf und erstarrte. Ihr Blick konnte sich nicht von dem Bild der Leiche aus dem Nicolaifleet lösen. Subins Tod ließ alle Pläne und Überlegungen zu Makulatur werden. An einen Selbstmord glaubte sie keine Sekunde; Panik stieg in ihr auf. Sie mußte fort, weit fort – so schnell wie möglich.
    Paulette dachte an den Brief, den sie an der Rezeption unter dem Stichwort »Aladin« hinterlegt hatte. Die ganze Aktion schien ihr zu gefährlich, denn jeder schriftliche Hinweis konnte auf ihre Spur führen. Wie gehetzt lief sie nach unten und ließ sich den Umschlag zurückgeben. In ihrem Zimmer zerriß sie alles in kleine Schnipsel und spülte sie durch die Toilette fort.
    Bevor sie Hamburg verließ, wollte sie der toten Subin noch einen letzten Dienst erweisen – Naval sollte dabei nicht ungeschoren davonkommen. Doch bevor Paulette ihren Gedanken in die Tat umsetzen konnte, summte das Zimmertelefon. Sie fühlte sich wie in der Falle; sekundenlang war sie nicht in der Lage, zu reagieren. Aber sie mußte sich melden, denn an der Rezeption wußte man, daß sie in ihrem Zimmer war. Sie nahm den Hörer ab; er lag wie ein Bleigewicht in ihrer Hand.
    »Ja, bitte?«
    »Hallo, hier spricht der Mann, der nach Aladins Wunderlampe sucht. Man hat mir gesagt, daß du auf deinem Zimmer bist. – Dir geht es doch gut?«
    »Bin ich froh, daß du anrufst. Von wo sprichst du?«
    »Hier aus dem Hotel, aus der Halle.«
    »Komm rauf, Zimmer neunzehn.« Damit hatte sie aufgelegt.
    Paulette begrüßte ihren Gast wie einen guten Freund. Auch wenn er Liebe für Geld suchte, heute war er mehr als ein Freier – er würde sie mit ihren Sorgen nicht allein lassen. Sie weinte lautlos in seinen Armen.
    »Mein Gott, Paulette, was ist los?«
    »Ich kann jetzt nicht mit dir ins Bett – für kein Geld.«
    Der Mann schob sie mit beiden Händen etwas zurück und sah ihr in die Augen. »Darum geht es doch nicht, Kleines. – Sag mir, um Himmels willen, was ist passiert?«
    Paulette konnte kaum

Weitere Kostenlose Bücher