Diplomat Im Abseits
von Finkenwerder, über Petroleumhafen und Container Terminal bis hin zu den Werften, wo kräftig genietet und geschweißt wurde. Wie ein futuristisches Objekt schwang sich die von Riesenpylonen an Stahlseilen herabschwebende Köhlbrandbrücke über den Nebenarm der Elbe.
Um diese Zeit herrschte im Jenischpark hanseatische Gelassenheit. Mütter und Großmütter führten ihre Sprößlinge spazieren, Nurses und Au-pair-Mädchen schoben in teuren Kinderwagen stolz ihre Fracht über die gepflegten Wege.
Mit dem Jenisch-Haus hatte Karl Friedrich Schinkel dem Park schon im vorigen Jahrhundert seinen klassizistischen Schwerpunkt gegeben. Die Villa, in der Naval wohnte, wirkte jedoch düster und abweisend. Rhododendron und Eisengitter harmonieren nur dann miteinander, wenn die Büsche in Blüte stehen.
Biestritz hatte dreimal auf den Klingelknopf gedrückt, ohne daß sich im Hause etwas rührte. Als er sich abwandte, tönte eine Männerstimme über die Sprechanlage. »Was wünschen Sie bitte?«
Immer noch war keine Bewegung im Haus zu bemerken. Nur das Objektiv einer Videokamera zielte deutlich sichtbar von einem Ausleger am Obergeschoß auf den Eingangsbereich.
»Ich möchte Herrn Naval sprechen.«
»Wer sind Sie?«
»Beamter der Hamburger Polizei. Sie können gern meinen Ausweis sehen, bevor Sie mir die Tür öffnen.«
»Danke, das ist nicht erforderlich. Herr Naval ist für einige Zeit verreist. Ich verwalte nur das Haus und bin nicht ermächtigt, irgendwelche Auskünfte zu geben.«
»Wo kann ich Herrn Naval erreichen?«
»Keine Ahnung. Ich kenne seinen Aufenthaltsort nicht.«
»Ist außer Ihnen noch jemand im Haus – oder können Sie mir jemanden nennen, der mir weiterhelfen könnte?«
»Nein, ich bin allein und habe das Haus geschlossen zu halten – oder haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ach, nur so eine Frage. – Dann muß ich Sie bitten, wiederzukommen, wenn Herr Naval aus dem Ausland zurück ist; in vierzehn Tagen vermutlich. Soll ich ihm dann etwas ausrichten?«
Biestritz sah zum Fernsehauge hinauf. »Nein – so wichtig ist mein Anliegen nicht. Ich melde mich gelegentlich wieder.«
Nach seiner Rückkehr ins Präsidium nahm Hauptkommissar Biestritz Kontakt mit dem Kollegen vom Rauschgiftreferat auf. Der bestätigte ihm aus dem Stand, daß man Naval für die zentrale Figur in der Rauschgiftszene hielt, daß man ihm bisher aber nie etwas nachweisen konnte. Auch die im Vorjahr richterlich angeordnete Telefonüberwachung war erfolglos geblieben und wieder eingestellt worden. Vieles deutete darauf hin, daß Naval seine Geschäfte von mehreren Orten im westlichen Ausland steuerte. Sein Umgang mit »exotischen Damen« war aktenkundig, aber keine dieser Frauen hatte man identifizieren können; sie waren aufgetaucht und nach einer Weile wieder verschwunden.
Biestritz ließ die Eintragungen im Grundbuch überprüfen. Daraus ergab sich kein Hinweis auf Naval. Haus und Grundstück am Jenischpark gehörten einer Frau, die als gesellschaftlicher Anhänger einer der Größen des St. Pauli-Kiez bekannt war. Die zu seinen Gunsten eingetragene Hypothek von achtzigtausend D-Mark hielt sich im Rahmen und ließ keinerlei Rückschlüsse zu, obwohl der Darlehensgeber einen Ruf als Geldwäscher für Gewinne aus dem Rauschgiftgeschäft hatte.
Über diese Schiene war an Naval nicht heranzukommen. Also mußte versucht werden, durch verdeckte Ermittler – im Volksmund immer noch V-Männer genannt – die Gerüchte aus dem Milieu einzufangen und zu interpretieren. Das allerdings konnte dauern.
Von Bongo im Babylon dürfte jetzt, nachdem Subin Tairong als Leiche aus dem Nicolaifleet aufgetaucht war, kein weiterer Hinweis zu erwarten sein. Er hatte seinen Spruch von der quartiersuchenden Studentin aufgesagt und würde jetzt, nachdem Subin zum Schweigen gebracht worden war, keine neue Version seiner Geschichte anbieten.
Nun blieb routinemäßig nur noch ein Hinweis abzuklären. Die anonyme Anruferin hatte gesagt, daß die Thailänderin dem perversen Naval von der Agentur Felicidad vermittelt worden war.
Biestritz seufzte, als er die Telefonnummer der Agentur wählte. Die Dame am Telefon gab sich entgegenkommend und beflissen, als er sich nach den Möglichkeiten zur Vermittlung einer Frau aus den besseren Kreisen Bangkoks erkundigte. Nähere Auskünfte zu den Qualitäten des reichhaltigen Angebots sowie zur Praxis der Übergabe einer Traumfrau blockte sie aber geschickt ab.
»Bei der
Weitere Kostenlose Bücher