Diplomatische Beziehungen (German Edition)
Berufsdiplomaten mittleren Alters beim Empfang finden und zwar in ungefähr …“, sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, „zehn Minuten.“
Lucas wusste, dass er mehr als fünfzehn Minuten bis zum Empfang brauchen würde, also war er eigentlich bereits spät dran. Glücklicherweise kannte er das Innere des UN-Gebäudes wie seine Westentasche, so dass er es mit einem kurzen Sprint durch den öffentlich zugänglichen Teil noch gerade eben schaffen würde.
Auf dem letzten Stück schlug er den Ordner auf, damit er wenigstens wusste, wen er suchen musste. Sein Herz setzte einen Moment lang aus.
Das Foto auf dem Besucherausweis zeigte Jacks Gesicht.
Er blieb hinter der Ecke neben dem Serviceschalter stehen und lehnte sich an die kühle Steinwand. Konnte er Jack gegenübertreten? Konnte er einfach zu ihm hingehen und so tun, als wäre alles, was vor zweieinhalb Jahren zwischen ihnen passiert war, nie gewesen? Vielleicht würde Jack überhaupt nichts mit ihm zu tun haben wollen? Nicht, dass er ihm seine Verärgerung verdenken könnte. Lucas hatte sich schließlich noch nicht einmal verabschiedet, nachdem er Jack im Krankenhaus besucht hatte.
Lucas fragte sich oft, ob er das Richtige getan hatte. Im Nachhinein hatte er das Gefühl, dass er hätte dableiben sollen, bis Jack sich entschieden und das getan hatte, was sie geplant hatten. Wie es aussah, hatten sie jetzt beide ihren alten Beruf aufgegeben, doch Lucas fragte sich, wie Jack auf seine Anwesenheit reagieren würde. Er war unentschlossen. Einerseits hätte er am liebsten in der PR-Abteilung angerufen und versucht, eine Vertretung für Jacks Führung zu finden, doch andererseits bot sich hier die Gelegenheit, mit allem abzuschließen. Endlich die „was wäre, wenn“-Fragen zu stoppen, um die seine Gedanken seit jenem Abend im Krankenhaus kreisten. Außerdem würden sie sich, wenn Jack die Stelle bekam, sowieso ständig über den Weg laufen.
Lucas atmete tief durch und setzte eine professionelle Miene auf. Er würde es schaffen, würde zuvorkommend, liebenswürdig und gastfreundlich sein, ganz egal, wer vor ihm stand. Er arbeitete als Pressereferent für die Vereinten Nationen, Herrgott noch mal!
Als er um die Ecke ging, stand Jack direkt vor ihm. Lucas erkannte sofort den hellgrauen Anzug, den sie an ihrem ersten Wochenende in Antwerpen zusammen ausgesucht hatten, und sein Mund wurde trocken. Es war, als wäre seitdem keine Zeit vergangen, als könnte er immer noch zu ihm gehen und dieses Funkeln in seinen wunderschönen Augen sehen. Jack sah so gut aus. Ein bisschen dünn vielleicht, aber trotzdem …
„Jack?“ Lucas räusperte sich und bemühte sich um einen professionellen Tonfall, doch der Versuch, die Gefühle aus seiner Stimme zu verbannen, scheiterte kläglich.
Ihre Blicke trafen sich über den Serviceschalter hinweg und Jack wurde blass.
„Lucas.“ Ein schwaches Lächeln zeichnete sich auf Jacks Gesicht ab, als sie sich kurz ansahen. Dann atmete der Amerikaner tief ein und sah sich in der Vorhalle um.
„Ich wusste nicht … dass du hier arbeitest?“, fragte Jack ein wenig zögernd.
Lucas nickte. „Ich bin jetzt Pressereferent und werde dir heute Nachmittag alles zeigen. Natürlich nur, wenn das für dich in Ordnung ist.“
Die zwei Männer starrten einander einen Moment lang an, bis Lucas sich wieder fing und Jack bedeutete, durch den Metalldetektor zu gehen. Dann reichte er ihm einen Besucherausweis.
„Du musst …“ Er deutete auf sein eigenes Revers, da er sich unwohl dabei fühlte, Jack zu nahe zu kommen. „… ihn dir anstecken. Muss ständig sichtbar sein. Wenn sie dich nehmen, besorge ich dir später einen eigenen Ausweis.“
Jack nickte und befestigte den Ausweis an seinem Jackett.
„Also, wann ist dein Vorstellungsgespräch?“, fragte Lucas, als sie den Flur entlang und auf die Aufzüge zugingen.
„Um vier“, antwortete Jack ausdruckslos, während er den imposanten Anblick in sich aufnahm.
„Du bist früh dran.“ Lucas war darüber amüsiert, denn es war ein so starker Kontrast zu dem ständig beschäftigten und deshalb ständig verspäteten Jack aus seiner Erinnerung.
A LS er neben Lucas her durch dieses beeindruckende Gebäude ging, wurde Jack klar, dass er wegen des Vorstellungsgesprächs eigentlich nicht besonders aufgeregt gewesen war. Diese Stelle zu bekommen, würde ihm das Leben wesentlich leichter machen, aber war keine zwingende Notwendigkeit, und davon abgesehen würde man ihn wahrscheinlich wieder
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