Dir darf ich nicht gehören
diese wirren, einander widersprechenden Befehle gar nicht erst
ab, sondern eilte direkt zu den Ställen.
Nur
seine eigene Kutsche fehlte. Und es fehlte auch kein Pferd. Und der
Stallbursche wirkte ebenso verlegen wie Jarvey eben, als Viola Thornhills Name
fiel. Genauso der junge Eli. Verdammt sei die Frau! Gottverdammt sei diese
Frau! Wenn ihm in ihrem Brief nichts entgangen war - aber wie hätte ihm
bei dem knappen Inhalt etwas entgehen können -, hatte sie keinerlei
Hinweis auf ihr Ziel gegeben. Sie war einfach gegangen. Wahrscheinlich nach
London.
»Hält
in Trellick eine Postkutsche?«, fragte er.
»Früher
hielt sie am Boar's Head, Mylord«, erklärte Hardinge, »aber es stiegen zu
wenige Passagiere zu, sodass sie jetzt auf der Hauptstraße an Trellick
vorbeifährt und nur noch anhält, um gelegentlich einen Passagier aussteigen zu
lassen.«
»Oder
um gelegentlich einen Passagier aufzunehmen, der vielleicht dort steht?«
»Ja,
Mylord.«
Gott
verdammt!
Sie war
entflohen. Sie war ihm durch die Finger geschlüpft. Sie hatte ihn auf die
schlimmste mögliche Art für das bestraft, was er letzte Nacht gesagt hatte -
was er als Scherz gemeint hatte. Er hatte bagatellisiert, was zwischen
ihnen geschehen war, indem er ihr gesagt hatte, sie hätte die Wette gewonnen.
Und sie hatte ihn dafür bestraft, indem sie spurlos verschwunden war und ihm
ein Anwesen überlassen hatte, das er nicht mehr wollte. Und sie anscheinend
auch nicht.
Wusste
irgendjemand an diesem gottverlassenen Ort, wo sie hingegangen sein könnte?
Wie, zum Teufel, sollte er sie finden, um ihr das Dokument aufzwingen zu
können? Das heißt, bevor er sie erwürgen würde.
Zum
Teufel damit, er hatte einen Scherz gemacht! Sie hatten sich geliebt -
zumindest galt das für ihn. Er konnte nicht für sie sprechen - er hatte
jämmerlich wenig Erfahrung mit der Liebe. Aber sie wäre durch seine törichten
Worte gewiss nicht so verletzt gewesen, wenn sie ihn nicht auch geliebt hätte.
Wenn sie nur einen Funken Humor im Leib hatte, hätte sie schon längst über ihn
triumphiert, bevor er es mit seinem Scherz probiert hätte. Sie hätte ihn wegen
einer der wenigen Wetten, die er in seinem ganzen Leben verloren hatte -
noch dazu an eine Frau -, unbarmherzig gehänselt. Sie hätte viel daraus
machen können.
Man
scherzte vermutlich nicht mit einer Frau, wenn man sie gerade geliebt hatte. Er
zuckte innerlich zusammen, während er zum Haus zurückging. Es war
wahrscheinlich klüger, süße Nichtigkeiten zu flüstern. Er würde beim nächsten
Mal daran denken.
Beim
nächsten Mal - ha!
Die
Postkutschenwache, die hinter der Kutsche ritt, blies als Signal für
irgendetwas ins Horn - weil sie sich einem Gasthaus näherten, um die
Pferde zu wechseln, weil jemand in der einen oder anderen Richtung an ihnen
vorbeigelangen wollte, weil Schafe oder Kühe oder ein anderes Hindernis auf der
Straße vor ihnen war oder weil sie sich einem Zolltor näherten. Das Horn war
den ganzen, unbequemen Tag in häufigen Intervallen erklungen, sodass an Schlaf
nicht zu denken war. Wann immer Viola beinahe einnickte, war sie unsanft wieder
geweckt worden.
»Wie
spät ist es?«, murmelte Hannah neben ihr. »Ich werde diesem Mann die Meinung
sagen, wenn wir das nächste Mal anhalten.«
Ein
Mitreisender stimmte ihr zu. Ein weiterer Fahrgast hoffte, dass der Klang ein
Gasthaus und Erfrischungen bedeutete - er kam nämlich fast um vor Hunger.
Man hatte ihnen beim letzten Halt nur zehn Minuten Zeit gelassen. Die Tasse Tee
und die Fleischpastete, die er bestellt hatte, waren nicht rechtzeitig
gekommen. Eine temperamentvolle Litanei von Klagen war dem gefolgt.
Viola
schaute aus dem Fenster. Es war kein Zeichen einer Stadt oder eines Dorfes zu
erkennen. Aber ein weiteres Gefährt passierte sie - von hinten. Die
Straße war an diesem Punkt nicht allzu breit, und der Kutscher wich weder aus
noch verlangsamte er das Tempo, um das andere Gefährt vorüberzulassen. Das
geschah nur allzu häufig, dachte sie, hielt den Atem an und schrak
unwillkürlich vom Fenster zurück, als wollte sie der Karriole mehr Platz zum
Passieren geben. Auf der Straße wimmelte es von unhöflichen Kutschern und
rücksichtslosen, ungeduldigen Gentlemen mit ihren leichten Kutschen.
Die
besagte Karriole fuhr nun in hohem Tempo im Abstand von nur wenigen Zoll an der
Postkutsche vorbei. Der Gentleman, der die Zügel handhabte, lenkte sein Gefährt
mit vollendetem Können und halsbrecherischer Nichtbeachtung seiner
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