Dir ergeben - Band 2 Roman
des Zwischengeschosses, der vom dritten Stock aus nicht einsehbar ist. Dort ist es dunkel, das einzige Licht stammt von den funkelnden Lichtern am Geländer.
»Was machst du da?«, frage ich, als er mich gegen die Wand drückt und einen Schalter umlegt. Sofort geht das Licht in der langen Holzvitrine mit dem gläsernen Deckel vor uns an. Darin befinden sich nur zwei Objekte, die allerdings so platziert sind, als wären es echte Kostbarkeiten.
Es handelt sich um schon etwas mitgenommene Exemplare der Romane Fahrenheit 451 und Die Mars-Chroniken von Rad Bradbury. Ich bin verwirrt, doch irgendetwas hat sich Damien bestimmt dabei gedacht.
»Bradbury ist einer meiner Lieblingsschriftsteller«, erklärt er.
»Ich weiß.« Er hat mir bereits erzählt, wie sehr er sich als Kind für Science Fiction begeistert hat. Wenn man so will, war das das Bollwerk gegen seinen Vater, seinen Trainer, sein ganzes damaliges Leben. Ich kann das gut verstehen, schließlich habe auch ich auf ähnliche Waffen zurückgegriffen.
»Er hat in Los Angeles gelebt, und eines Tages erfuhr ich, dass er in einer Buchhandlung im Valley signieren würde. Ich habe meinen Vater angefleht, mit mir hinzugehen, aber er hatte Extrastunden mit meinem Trainer vereinbart, und keiner von beiden wollte mir eine Verschnaufpause gönnen.«
»Was hast du getan?«
Sein Grinsen wird breiter. »Ich bin trotzdem zu der Signierstunde.«
»Wie alt warst du damals?«
»Elf.«
»Aber wie bist du dorthin gekommen? Habt ihr nicht in Inglewood gewohnt?«
»Ich habe meinem Dad gesagt, dass ich zum Tennisplatz fahre, mein Rad genommen und bin nach Studio City gefahren.«
»Mit elf? In Los Angeles? Es ist ein Wunder, dass du dort lebend angekommen bist.«
»Glaub mir«, sagt er trocken, »die Fahrt war weitaus ungefährlicher als mein Vater, als er herausfand, was ich getan hatte.«
»Aber das ist ja brutal weit! Du hast die ganze Strecke mit dem Rad zurückgelegt?«
»Es sind nur etwa acht Kilometer. Aber wegen der Steigungen und des starken Verkehrs hat es länger gedauert als gedacht. Als ich gemerkt habe, dass ich zu spät kommen werde, bin ich per Anhalter weiter.«
Mir schnürt sich die Kehle zusammen. Ich höre meine Mutter, die mir immer eingebläut hat, nicht mit Fremden zu sprechen und niemals Autostopp zu machen. Ich stehe Todesängste um den Jungen aus, der er damals war, der unglaubliche Risiken eingegangen ist – nur weil der Vater, der zu allem Überfluss auch noch von seinem Geld gelebt hat, Arschloch genug war, um ihm den einzigen, harmlosen Wunsch zu verweigern, der ihn glücklich gemacht hätte.
»Es war knapp«, sagt er. »Aber ich kam noch rechtzeitig.«
Natürlich weiß ich, dass er überlebt hat. Trotzdem überkommt mich eine Woge der Erleichterung. »Und hast die Bücher signiert bekommen«, sage ich und zeige mit dem Kinn auf die Vitrine.
»Leider nicht. Ich kam pünktlich zum Signieren. Aber da waren alle Bücher schon ausverkauft. Da habe ich beschlossen, Bradbury zu bitten, mir stattdessen ein Lesezeichen zu signieren. Nachdem ich ihm meine Geschichte erzählt hatte, meinte er, er wisse etwas Besseres als ein Lesezeichen. Und plötzlich hebt sein Fahrer mein Rad in den Kofferraum und wir fahren zu ihm nach Hause. Ich habe drei Stunden im Wohnzimmer dieses Mannes gesessen und mit ihm gesprochen. Anschließend durfte ich mir zwei Bücher aus seinem Regal aussuchen. Er hat sie signiert und mich von seinem Fahrer nach Hause bringen lassen.«
Ich werde ganz sentimental bei dieser Geschichte und muss die Tränen zurückdrängen. »Und dein Dad?«
»Ich habe ihm nie davon erzählt. Er war stinksauer, aber ich habe ihm nur erzählt, dass ich mit dem Rad am Strand rumgefahren bin. Ich musste es schwer büßen«, fügt er verbittert hinzu. »Aber ich hatte die Bücher. Ich habe sie immer noch.« Mit dem Kinn zeigt er auf die Vitrine.
»Allerdings«, sage ich. »Bradbury scheint sehr, sehr nett gewesen zu sein.«
»Ja, das war er.«
»Das ist eine wunderbare Geschichte«, sage ich aufrichtig. Ein weiteres Detail aus seinem Leben, das ich kennen will. Das ich in mir aufnehmen will. »Aber ich verstehe nicht, warum du sie mir ausgerechnet jetzt erzählst.«
»Weil mir die Dinge in diesem Haus etwas bedeuten. Nicht die Deko-Gegenstände, die ich für die Party angemietet habe, sondern meine eigenen Sachen. Viel ist noch nicht vorhanden, aber das, was bereits hier ist, ist mir sehr teuer: Die Kunst. Der ganze Kleinkram. Sogar die
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