Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC
hereinbrach.
Als ersten Song spielten wir „Livewire“. Mein Bass-Intro schwebte hinaus in die Luft, gefolgt von Mals drohenden Gitarrenakkorden und dem Zing-Zing von Phils Hi-Hat-Becken, und plötzlich explodierte der Song, als Angus und Phils Schlagzeug mit voller Wucht loslegten. Es zog mir beinahe die Füße weg, so kraftvoll war das. Und es klang so total nach AC/DC. Vielleicht hört es sich albern an, aber wir hatten so lange nicht mehr live gespielt, dass wir uns richtig danach sehnten, unsere Duftmarke zu hinterlassen. Uns durchströmte ein herrliches Gefühl von Kraft und Energie – nicht diese chaotische, lärmende, unkontrollierte Energie, wie man sie bei den meisten anderen Bands findet, sondern die typische AC/DC-Energie: Laut, sauber, tief, bedrohlich und rhythmisch. Wir waren wieder da und feuerten aus allen Rohren – dabei hatte Bon noch nicht mal den Mund aufgemacht.
Ich sah Michael und Richard weiter hinten im Publikum stehen (was nicht besonders schwierig war, denn bis zur gegenüberliegenden Wand waren es von der Bühne aus höchstens fünf Meter), und Michaels breites Lächeln schien „ich hab’s doch gewusst“ zu sagen. Richard hingegen war die Kinnlade heruntergeklappt; er war total erschlagen. Wir zogen unser Programm durch und gingen richtig in die Vollen. Wahrscheinlich spürten wir alle eine gewisse Erleichterung darüber, nach der Zwangspause alle Spinnweben hinwegfegen zu können.
Unsere 30 neuen Freunde vor der Bühne flippten auch so richtig aus. Keine Ahnung, was sie von dem ganzen Lärm hielten, aber zumindest hatten wir ihre volle Aufmerksamkeit gewonnen. Zu unserer Überraschung stellten wir dann fest, dass einige Leute nach dem ersten Set gingen. Nicht nur einige, die meisten verschwanden. Das war irgendwie seltsam. Die wenigen, die blieben, holten sich noch mal etwas zu trinken oder standen Schlange vor dem öffentlichen Telefon. Wir zuckten die Achseln. „Blöde Inselaffen.“
Als der zweite Set jedoch näher rückte, füllte sich der Pub langsam wieder. Die Leute, die zuvor rausgegangen waren, kehrten zurück – mit ihren Kumpels im Schlepptau. Als wir wieder auf die Bühne kamen, war der Laden voll. Es war ein ungewöhnlicher Abend, auf seine Art ziemlich erfolgreich und zudem durchaus erinnerungswürdig. Und eins wusste ich – unserem neuen Agenten hatten wir einen Heidenschreck eingejagt. Nach dem Konzert nahm Richard mich beiseite.
„Das war der lauteste, fieseste Gig, den ich in meinem ganzen Leben gehört habe“, keuchte er aufgeregt und ein wenig erschreckt zugleich. „Es war, als ob ein Monster aufwacht.“
So, wie es aussah, waren wir auf einem guten Weg.
Nun endlich hörten wir auch von Kossoffs ehemaliger Band, bei der nun der neue Gitarrist Geoff Whitehorn versuchte, in die großen Fußstapfen des Meisters zu treten. Back Street Crawler waren bereit, mit uns loszuziehen. Allerdings stand schon vorab fest, dass diese Tour ohne den großen Star keine besonders großen Wellen schlagen würde. Dennoch gab es in ihrem Verlauf einige Konzerte, die für uns durchaus von Bedeutung sein sollten. Der 11. und 12. Mai waren für das Marquee reserviert. Die kleine Halle fasste etwa 700 Zuschauer, aber das Interesse an Back Street Crawler, wenn man denn überhaupt davon sprechen konnte, war ziemlich gesunken, seit Kossoff den Löffel abgegeben hatte. Von daher war die Menge vor der Bühne an jenem Abend ziemlich übersichtlich, aber hey, es war trotzdem das legendäre Marquee.
Der Club an sich war schon nicht groß, aber die Garderobe war absolut winzig. Man betrat sie durch eine Tür am Ende der Bar und musste erst einmal durchs Klo, bevor man den eigentlichen Backstage-Raum erreichte. Selbst für uns fünf kleine Kerle war es eng. In diesem Raum entstanden die Schwarzweiß-Fotos für die Innenhülle der Dirty Deeds -LP, von daher bekam er im Nachhinein etwas Geschichtsträchtiges, so scheußlich dieses kleine Loch ansonsten auch war.
Wir spielten unseren üblichen, halbstündigen Vorprogramm-Set – soll heißen, wir kamen auf die Bühne, stöpselten unsere Instrumente ein, legten mit „Livewire“ los und steigerten uns dann bis zu „Baby Please Don’t Go“, bei dem Angus den Sprung ins Publikum machte – zur damaligen Zeit, da es noch keine drahtlosen Übertragungssysteme für die Gitarren gab, ein Albtraum für jeden Roadie, der mit uns arbeitete. Bei den zwei Auftritten im Marquee kamen wir ziemlich gut an. Zwar guckten ein paar Zuschauer ein
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