Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC
allerdings kostete der Eintritt auch nur fünfzig Pence. Aber es war ein guter Anfang; das Publikum war ziemlich wild, draufgängerisch und laut. Soweit ich sehen konnte, ließ man Frauen in Glasgow nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße – oder zumindest nicht zu einem AC/DC-Gig. Vielleicht hatte man ja auch unser Tour-Motto mit dem Wegsperren der Töchter wörtlich genommen.
Es war ein gutes Gefühl, nach all dem Hin und Her mit Kossoff und den Back Street Crawlers wieder richtig auf Tour zu sein, und doppelt gut war es, mal aus London rauszukommen, wo wir uns doch zunehmend eingeengt fühlten. Wir unternahmen sogar gemeinsame Sightseeing-Trips, was für uns sehr ungewöhnlich war, aber sehr viel Spaß machte, und wir lernten auch noch was dabei. Die Schotten in der Band klärten uns „Sassenachs“, wie Schotten eigentlich ihre englischen Nachbarn nennen, ausführlich über die schottische Geschichte auf, die vor allem davon geprägt zu sein schien, dass die Engländer alle Nase lang über die Grenze marschiert waren, geplündert und gebrandschatzt und die Bevölkerung drangsaliert hatten, bis dann die Schotten wieder zurückschlugen und ihrerseits den Engländern einen mächtigen Tritt in den Hintern verpassten.
Wir sahen uns Stirling Castle an, das hoch oben auf einer Klippe vulkanischen Gesteins erbaut worden war und einen guten Blick über das Schlachtfeld von Bannockburn bietet. Mary Stuart wurde dort 1543 zur schottischen Königin gekrönt. Auch Edinburgh Castle war ein Besuch wert, und auf dem Weg dorthin stärkten wir uns ordentlich in den vielen Pubs auf der Royal Mile, jener Reihe von Straßen, die zur Burg hinaufführen. Das war einer der schönsten Momente auf dieser Tour, mit den Jungs durch die Gegend zu ziehen, sich alle möglichen touristischen Attraktionen anzusehen und Malcolm, Angus und Bon dabei zu beobachten, wie sie wieder Tuchfühlung mit ihrer alten Heimat aufnahmen. Ich hatte immer schon einmal nach Schottland reisen wollen, da ich eine Menge Freunde hatte, die von dort stammten, und ich fand die Geschichte des Landes genauso berauschend wie das Bier. Es ist ein Land, von dem man einfach beeindruckt sein muss, und für mich war es ein Erlebnis, wenn wir in einem Pub auf dem Land einkehrten, um einen Happen zu essen und ein Bier zu trinken, und uns jemand erzählte, dass es die Kneipe, in der wir saßen, schon seit 1400 gab. Meist sahen die Gestalten, die an der Theke hockten, auch so aus, als seien sie schon seit damals Stammkunden.
In Glasgow übernachteten wir im Wickets Hotel in der Nähe der Dumbarton Road, das nach dem angrenzenden Cricket-Stadion benannt war. Es erinnerte ein wenig an die TV-Serie Fawlty Towers und vereinte einen Hauch Charme der Alten Welt mit einer ordentlichen Portion Gammel. Es war schon ziemlich abgewirtschaftet, aber gemütlich und gastfreundlich.
An einem unserer seltenen freien Tage saßen wir da und dachten darüber nach, was man Anfang der Woche abends in Glasgow anstellen konnte. Nach dem Abendessen ging ich in den ersten Stock auf mein Zimmer, das ich mir mit Phil teilte, am Ende eines breiten Flurs lag und einen schönen Blick auf eine alte Kirche bot. Es war einer dieser herrlichen schottischen Abende, zwar schon nach acht, aber immer noch hell, und für australische Begriffe nicht gerade warm, aber immer noch recht angenehm. Ich hatte beim Essen keinen Tropfen getrunken und war stocknüchtern.
Um mir meine geliebten Doc Martens anzuziehen, setzte ich mich aufs Bett, das gegenüber des großen Panoramafensters stand. Phil war nicht da, ich war völlig allein. Das Fenster war offen, und eine leichte Brise blähte die bodenlangen Vorhänge. Ich genoss den Anblick, da nahm ich im Augenwinkel eine Bewegung wahr. Als ich aufsah, zuckte ich zusammen. Es dämmerte nun, aber ich konnte im Zimmer noch alles erkennen, und was ich da sah, war die etwas schummrige, aber klar erkennbare Gestalt eines alten Mannes. Er war klein, gebeugt und wandte mir den Rücken zu. Meine erste Reaktion war, nichts wie weg, aber dalli. Ich konnte mich jedoch nicht bewegen und war wie versteinert. Mich erfüllte große Angst, aber gleichzeitig war es auch aufregend.
Damit das klar ist: Ich glaube nicht an Geister, Erscheinungen, Visitationen, Séancen und andere Spökenkiekerei. So was erscheint mir einfach aberwitzig, und Leuten, die damit Geld verdienen, dass sie „in die Zukunft blicken“, traue ich nicht übern Weg. Wenn sie wirklich über das zweite
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