Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC
Weißwein und eine entspannte Runde Crocket in erlesener Runde. Aber genau das war unsere Einstimmung auf Reading.
Von Richards Eltern aus fuhren wir zum Festivalgelände. Um die Umbaupausen möglichst kurz zu halten, hatte man eine besonders breite Bühne errichtet, auf die zwei Bands gleichzeitig passten: Während rechts eine Truppe spielte, bereiteten die Roadies links schon alles für die nächste vor, und das Publikum sah ihnen zu. Hier barg der Rock’n’Roll keine Geheimnisse. Das führte dazu, dass man als Band nur zu einem Teil der Zuschauer eine Verbindung aufbaute, weil man ja auf eine Bühnenseite beschränkt blieb. Nun hatten wir zwar mit Bon und Angus zwei enorm mobile Frontmänner und waren von daher für diese ungewöhnlichen Umstände recht gut gerüstet, aber trotzdem hatten wir das seltsame Gefühl, dass die riesige Zuschauermenge in der Mitte geteilt worden war. Davon einmal abgesehen saßen die Leute gemütlich auf dem Hintern, während wir spielten, und rührten vorsichtshalber auch keine Hand, um zu klatschen.
Apathisch war noch ein viel zu aktives Wort für die Reaktion der Zuschauer, und durch die Größe der Menge wirkte das umso erdrückender. Es war eine höchst eigentümliche Situation, so viele Menschen vor sich zu sehen, die einfach nur herumsaßen, nicht johlten, nicht klatschten, sich überhaupt nicht rührten und nur den in England so seltenen Sonnenschein genossen. Zwischen zwei Songs brüllte ein einsamer Zuschauer: „Seht mal zu, dass ihr fertig werdet!“ So still war es. Wir standen vor 50.000 Menschen, und der Zwischenruf eines einzelnen Klugscheißers war glasklar zu verstehen.
Es ist eine Sache, vor ein paar Leuten zu spielen, die kaum Reaktion zeigen. Solche Situationen konnten wir meist durch ein paar Show-Einlagen von Angus aufbrechen, so wie uns das bei dem Gig gelungen war, zu dem Ahmet Ertegun noch so spät aufgetaucht war. Es ist aber etwas anderes, wenn man vor einer so riesigen Menge steht, von der überhaupt keine Energie zurückkommt. Unsere Batterien waren völlig leer, und uns fiel nichts ein, um das zu überbrücken. Nach uns ging Ted Nugent auf die Bühne, der gerade das Album Cat Scratch Fever herausgebracht hatte und kurz vor dem großen Durchbruch stand; er bekam jede Menge Presse, weil er mit Pfeil und Bogen auf die Jagd ging und dergleichen, und er wurde allgemein als „der wilde Mann des Rock“ porträtiert. Trotz der exzellenten PR erntete er an diesem Nachmittag genau dieselbe kühle Reaktion wie wir. An der Apathie der Leute änderte sich nichts.
Zwar hatte die Presse ja auch über uns schon ordentlich berichtet, aber trotzdem sahen uns die meisten Festivalgänger zum ersten Mal, und sie mussten erst noch davon überzeugt werden, dass das Tamtam, das man um uns machte, gerechtfertigt war. Aber Reading war eine Katastrophe. Der Gig war enorm wichtig gewesen, und dementsprechend wurde der Auftritt auch intern diskutiert. Wenn man mit seiner Band bei einem großen Festival vor Riesenpublikum scheitert, ist das schon schlimm genug. Versagt man aber darüber hinaus vor den Augen und Ohren des Plattenproduzenten und Mentors, der noch dazu ein Hitzkopf ist und dessen kleine Brüder Teil der Band sind, dann fehlt nur noch ein bisschen Alkohol, und die ganze Mischung fliegt einem mit einem Knall um die Ohren.
Nach dem Auftritt war die Stimmung zunächst einmal ziemlich eisig. Allen war klar, dass wir eine großartige Gelegenheit ungenutzt hatten verstreichen lassen. Damals hatte ich die, wie ich heute weiß, schlechte Angewohnheit, mich nach einem missratenen Gig schnell aus der Garderobe zurückzuziehen; es wäre besser gewesen, eine Weile bei den anderen zu bleiben und mit ihnen über das Geschehene zu sprechen. Dann wäre ich nicht so leicht zum Sündenbock gemacht worden. (Ach ja – im Nachhinein weiß man es immer besser.) Eine Band auf Tour ist ein kompliziertes Gefüge – wer dich an einem Tag kritisiert, kann am nächsten dein größter Verbündeter sein. Und so erfuhr ich eigentlich immer, was hinter meinem Rücken über mich gesagt worden war. Trotzdem an dieser Stelle ein guter Rat an alle aufstrebenden Rockmusiker unter euch: Wenn euch etwas an eurer Position in der Band liegt, dann habt es besser nicht so eilig, aus der Garderobe zu verschwinden, wenn ein Gig nicht gut gelaufen ist. Bleibt lieber, bis jemand anders sich verzieht, um Bier zu holen oder eine Frau aufzureißen.
Wir beschlossen, zurück ins Band-Haus zu fahren, um dort noch
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