Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC
man die Rezeption anrufen kann, so nach dem Motto:
„Hallo, hier Suite 746 – könnten Sie vielleicht jemanden schicken, der das Fenster öffnet? Ich würde gern springen, und leider klemmt der Griff.“
In diesem seltsamen Augenblick begriff ich mein Leben noch weniger als die Worte, die der deutsche Nachrichtensprecher von sich gab. Wahrscheinlich hatte die Depression mich einfach überwältigt; das kommt auf Tour durchaus vor. Es ist nun mal Tatsache: Egal, wie aufregend es ist, große Konzerte zu geben, durch die Welt zu reisen und hübsche Frauen kennen zu lernen, irgendwann erreicht man einen Punkt, an dem man in einem Hotel hockt, nicht einmal mehr weiß, in welcher Stadt man ist, und sich unendlich einsam und allein fühlt. Nachdem ich mich bei AC/DC verpflichtet hatte, beherrschte die Band nicht nur mein Leben, sie war mein Leben. Ich hatte die Kontrolle abgegeben, und anders als in meinem früheren Job konnte ich mich auch nicht einfach krank melden, um zum Angeln zu gehen, oder einfach mal ausschlafen und zu spät zur Arbeit kommen. Bei AC/DC war tausendprozentiges Engagement gefordert, jeden Tag. Damit hatte ich eigentlich kein Problem, aber wenn man nicht dafür gemacht ist, frisst einen dieses Leben auf, und in Dortmund riss es mir große Stücke aus dem Fleisch. Wenn Musiker auf Tour heute ein bisschen durchhängen, können sie immerhin zu Hause anrufen – aber damals kostete ein Transatlantikgespräch ein Vermögen. Ich beneide die Jungs, die heute unterwegs sind – sie können per E-Mail und Skype Verbindung zu Freunden und Familie halten, und im Internet kann man sogar das heimische Football-Team spielen sehen … das ist echter Luxus!
Glücklicherweise hielt das Gefühl nicht lange an, aber es war eine wirklich unangenehme Erfahrung. Ich verstehe, weshalb manche Menschen diesen Weg für sich wählen; sie sind einfach mit ihrer Weisheit am Ende und können keinen Sinn mehr in ihrem Leben erkennen. Damit will ich nicht sagen, dass dieser Weg der richtige ist, denn das ist er natürlich nicht, er ist entsetzlich selbstsüchtig, aber er ist eine Folge von Depressionen, ganz einfach. Glücklicherweise liegen diese düsteren Zeiten heute hinter mir, auch wenn ich noch immer nicht ganz gegen Depressionen gefeit bin. Aber heute erscheint es ganz normal, dass man zwischendurch mal einen Tag hat, wo man nicht so gut drauf ist. Inzwischen ist mir klar, dass auch Bon gelegentlich depressive Phasen hatte, und ich wünschte mir, ich hätte damals mehr auf solche Dinge geachtet. Aber davon stand eben nichts in meinem Handbuch des gemeinen Rockmusikers, in dem es eher um „Bumsen, saufen, wieder bumsen“ ging.
Auf der Rainbow-Tour erschlossen wir für AC/DC neue Märkte – wir tourten durch Frankreich, Holland, Belgien und die Schweiz. Dabei kamen wir recht gut an, wenn man bedenkt, dass die Zuschauer alle wegen Blackmore gekommen waren und keine Ahnung hatten, wer wir waren oder wieso unser Gitarrist in einer Schuluniform rumlief. Aber unser gradliniger Rock bot einen attraktiven Gegensatz zu Blackmores aufgeblasenen, 20-minütigen Rock-Epen mit Tendenz zur Mystik. Ritchie Blackmore ist zweifelsohne einer der ganz großen Gitarristen aller Zeiten, keine Frage, aber seine Show erschien endlos. Und die Sache wurde nicht spannender, wenn es dann mittendrin noch ein viertelstündiges Keyboard-Solo und ein ebenso langes Schlagzeug-Solo gab. Zum Glück saß Cozy Powell am Schlagzeug. Wenn überhaupt ein Trommel-Solo von dieser Länge, dann sollte es von Cozy Powell sein.
Wir waren uns allesamt einig, dass der beste Song im ganzen Programm die alte Deep-Purple-Nummer „Mistreated“ war. Der Titel kam unglaublich gut, auch, weil Sänger Ronnie James Dio wie dazu geboren schien, ihn zu singen. Es war erstaunlich, was dieser kleine Kerl für eine mächtige, beinahe operntaugliche Stimme hatte. Zu Ronnie hatten wir von Anfang an einen guten Draht. Tatsächlich war er zuerst auf uns zugekommen, hatte sich Mal und Angus vorgestellt und erzählt, dass seine Band, The Electric Elves, bei ein paar Gigs in den USA im Vorprogramm von George Young und den Easybeats gespielt hatte.
Zum Bühnenaufbau von Rainbow gehörte – Überraschung! – ein elektrischer Regenbogen, der die ganze Bühne überspannte und „phantastische Lichteffekte“ bieten sollte. So war es jedenfalls geplant, aber es wurde zu einem der Höhepunkte auf der Tour, dass dieses Leuchtdings immer wieder zuckte, blinkte, ausging und generell nie das
Weitere Kostenlose Bücher