Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
hörte, wie sie sagte: »Ihre Kunden sind in ganz Victoria und New South Wales verstreut. Alle paar Wochen unternehmen sie eine ausgedehnte Rundreise zu Juwelieren in Geelong, Ballarat, Bendigo, Hamilton, Mildura, Wagga, Albury-Wodonga, diese Orten eben.«
»Bewaffnete Begleitung?«
»Nur Joe.«
Wyatt sah Oberin an. »Warum bist du interessiert?«
Eddie zuckte mit den Achseln. »Weil es um Lydia geht, weil ich das Geld brauche. Weil ihr Plan sich mit Informationen deckt, die ich bereits hatte.«
Wyatt wusste, als Mittelsmann konnte Eddie jahrelang auf halb fertigen Plänen hocken, so lange, bis der richtige Moment kam. Aber Wyatt brachte es jetzt auf den Punkt: »Diesmal willst du eine aktive Rolle?«
»Ja.«
»Waffen, Eddie. Schnelle Autos, Sirenen ... «
Das sorgte für ein Zucken in Eddies starrer Miene. »Hör doch erst mal zu, Wyatt.«
Wyatt wandte sich Lydia zu, die sagte: »Sie liefern die Ware in einem Audi an. Mit Allradantrieb und Geheimfächern im Heck. Wir überfallen sie, bevor sie bei ihrem ersten Kunden auftauchen.«
Wyatt verzog den Mund. »Geheimfächer? Drogen.«
»Keine Drogen. Schmuck.«
Wyatt blieb knochenhart: »Wir fangen eine Lieferung ab, und dann? Sollen wir alles beim Hehler verticken — Ringe und Halsketten, Unikate mit hohem Wiedererkennungswert? Wenn wir Glück haben, springen zwanzig Cent pro Dollar für uns dabei heraus. Oder vielleicht diesem Furneaux das Zeug gegen eine Auslöse zurückgeben? Es wieder an ihn verkaufen, nachdem er seine Ansprüche bei der Versicherung angemeldet hat? Wir bekämen ein Taschengeld und es würde viel zu lange dauern. Selbst wenn wir die Fassungen einschmelzen würden, uns bliebe ein kleiner Klumpen Gold oder Silber. Viel zu viel Aufwand für viel zu wenig Ertrag.«
Eddie schien etwas die Fassung zu verlieren, seine Nasenflügel bebten und Wyatt dachte, dass Oberin jetzt endlich zum Kern der Sache käme. »Mann, leck mich doch, Wyatt! Meinst du, ich habe das nicht bedacht?«
Wyatt beobachtete Lydias Reaktion. Es gefiel ihm, wie ein Blick von ihr und die Berührung ihrer kühlen Finger Eddie wieder besänftigten.
Sie sah Wyatt an und sagte: »Hier kommt der Franzose ins Spiel.«
Wyatt entdeckte Gemeinsamkeiten mit Eddies Exfrau. Ihre Wachsamkeit war intuitiv, Lydia wog die Dinge ab, und Geschwätzigkeit gehörte eindeutig nicht zu ihrem Naturell. Er nickte ihr verhalten zu.
»Sein Name ist Alain Le Page«, fuhr sie fort. »Ein legaler Kurier, der Edelsteine überbringt, geschliffene und ungeschliffene, dazu Goldketten und kleine Barren, alles für australische Schmuckhersteller. Er fliegt mehrmals pro Jahr ein, steigt im Sofitel ab, bleibt einige Tage, macht seine Runde und fliegt wieder ab.«
»Habt ihr ihn beschattet?«, fragte Wyatt. Ein guter Kurier würde es merken, wenn sich jemand an seine Fersen hängt.
»Er hat nicht mitbekommen, dass ich da war — «, verteidigte sich Eddie.
Mit einer kurzen Berührung seines Unterarms brachte Lydia Eddie zum Schweigen. »Die Furneaux’ beziehen ihr Rohmaterial von Le Page, verarbeiten es zu hochwertigem Schmuck, den sie dann an Juweliere verkaufen. Allerdings hat sich die Sachlage vor etwa achtzehn Monaten geändert.«
Sie hielt kurz inne und fuhr dann fort: »Wie erwartet, kamen die Brüder zu uns ins Geschäft, nur war diesmal Le Page dabei. Ich wusste bis dato gar nicht, dass er existiert. Wie auch immer, er wurde als ihr Lieferant vorgestellt. Ich sagte ›hallo‹ und kaufte einige von Henris Entwürfen und anschließend gingen Henri und Le Page mit meinem Chef nach draußen, zu ihrem Wagen, alles ziemlich geheimniskrämerisch.«
»Nicht mit Ihnen, sondern mit dem Chef?«
»Genau. Und als Nächstes haben wir fantastische Ringe, Halsketten, Ohrringe und Armbanduhren in unserem Schaufenster präsentiert, und zwar in dem Bereich mit Schmuck aus Nachlässen. Darunter seltene, antike Stücke und alles sehr teuer.«
»Was hat Ihr Chef Ihnen erzählt?«
»Er war kein Typ großer Worte.«
»Junge«, mischte sich Eddie ein, »hier geht es um gestohlene Ware.«
Wyatt hatte verstanden. »Le Page schmuggelt die Teile von Europa ein, als Teil einer legalen Einfuhr.«
Eddie grinste. »Das ist der Reiz an der Sache — wir berauben einen Räuber.«
Lydia sagte: »Wir reden hier von Rolex, Piaget, Patek Philippe, Georg Jensen, Raymond Weil, Breitling, Tiffany etc. pp.«
»Also nichts, was man einschmelzen würde«, ergänzte Eddie. »Eine goldene Rolex aus den Fünfzigern? Ist einem
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