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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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    In einem zweiten Schritt pflügte Tyler durch die Dateien auf Ma Gadds Laptop. Normalerweise wäre das unmöglich gewesen: Ma hing ihm immer auf der Pelle, wenn er auf dem Markt half, oder sie schickte ihn mit dem Lieferwagen — Gadfly Flowers — los, um bei Großhändlern Ware zu kaufen oder um bei den Flachpfeifen, die ihr Geld schuldeten, die Daumenschrauben etwas anzuziehen. Aber das alte Mädchen liebte Pferderennen und so war sie oft stundenlang weg, kutschierte mit ihrem alten weißen Bentley quer durch die Stadt nach Caulfield oder Flemington, setzte ein paar Tausender und kam mit mehreren Zehntausend zurück. Als sie eines Tages wieder auf der Rennbahn war, ließ Tyler ihren Toshiba hochfahren und stieß auf die Adresse Eddie Oberins in North Melbourne. Wyatt zu beschatten stellte ein Wagnis dar, also musste man sich an Oberin halten.
    Rund um die Uhr konnte Tyler das natürlich nicht stemmen. Er gab im Chaos Theory den Türsteher und besaß keine Vorstellung davon, was Oberin nachts so trieb, aber eines späten Nachmittags war er ihm von seinem schäbigen kleinen Haus bis zur High Street in Armadale gefolgt. Oberin war auf und ab gegangen, hatte die Straße hinauf- und hinuntergestarrt, selbst den Weg hinter den Läden hatte er inspiziert und in seinem schicken, leichten Anzug und der schmalen Brille mit dem dicken, schwarzen Rahmen ausgesehen, als wäre er Teil der Gegend. Tyler hatte nicht durchgeblickt: die Läden verrammelt, nirgendwo Licht, alle Jalousien heruntergelassen. Um einen Einkaufsbummel hatte es sich nicht gehandelt und nirgendwo in diesem Teil der Straße auch nur eins der klassischen Objekte für einen Überfall, keine Banken oder Sparkassen, keine Wettbüros, keine Läden von Medicare. Lediglich eine Weinstube, eine Buchhandlung, eine Bude, die Raumteiler aus Reispapier anbot und anderen asiatischen Kram, ein Schuhgeschäft — und das Juweliergeschäft der Brüder Furneaux.
    Je länger Tyler Oberin beobachtet hatte, desto klarer seine Erkenntnis, dass der den Juwelier ins Visier genommen hatte. Oberin hatte zwar einen auf lässig gemacht, aber so, wie er sich den Hals verrenkt und in sein Mobiltelefon gelabert hatte, war da was am Kochen.
    Und jetzt das, Oberin in den Botanischen Gärten, zusammen mit einer Braut, die er vor einem Haus in Abbotsford aufgelesen hatte. War das ein Rendezvous, ein Spaziergang in der Frühlingssonne, Eddie mit seiner Süßen? Tyler glaubte an Körpersprache und er hatte nichts davon gesehen, als das Paar in den Park gegangen war, kein Händchenhalten, kein Unterhaken, kein Arm, der sich um die Hüfte der Frau geschlungen hätte.
    Tyler hätte wetten können, dass es sich um eine Art Zusammenkunft handelte. Neugier triumphierte über Vernunft, er schloss das Taxi ab und ging über die Straße. Eine Minute später stand er im lichtgesprenkelten Schatten eines massiven Baumes mit geädertem, knotigem Stamm und Wurzeln, kräftig wie Anakondas, die Luft um ihn herum feucht, und er entdeckte Eddie Oberin und die Frau, und bei ihnen war Wyatt.
    Tyler musste unwillkürlich schlucken, sein Herz schlug wie wild und er machte sich vorsichtshalber rasch aus dem Staub.
    Er fuhr zurück zu dem Haus in Abbotsford, wo dieser abgestandene Geruch in der Luft hing und wo er dahinterkam, wie die Frau hieß, dank des Adressaufklebers eines noch eingeschweißten RACV-Magazins, das im Vorgarten unter einem Fliederstrauch lag: Lydia Stark. Sagte ihm nichts.
    Den restlichen Sonntagvormittag brachte er damit zu, noch ausstehende Kreditraten für Ma einzutreiben: fünfhundert Dollar von einer Krankenschwester, die jammerte und bettelte, weil sie hoffte, Tyler auf diese Weise erweichen zu können, und zweihundertfünfundsiebzig Dollar von einem Doktoranden, der es am notwendigen Respekt vermissen ließ, bis Tyler ihm den goldenen Ohrring aus dem Ohrläppchen riss.
    Anschließend ließ er sich auf dem Markt blicken. »Hab ’n bisschen Geld für dich dabei, Ma!«
    Sie versetzte ihm eine Ohrfeige. Ma hatte Hände wie Waffeleisen und Tyler landete zwischen den Eimern mit den Bartnelken, zwei Bunde für fünf Dollar. »Schönen Gruß von Wyatt.«
    Tyler blinzelte, um das Klingeln in seinem Kopf loszuwerden. »Was?«
    »Er hat dich gesehen, du Knallcharge«, sagte Ma keuchend. »Halt dich zurück, und das meine ich ernst, Tyler. Diesmal war er noch höflich zu mir. Und auch zu dir. Das nächste Mal ... nun, lass mal deine Fantasie spielen.«
    Tyler, wie in trübem Wasser

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