Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Laden.«
Am Dienstagmorgen schickte Wyatt Lydia in das Geschäft in Armadale. »Sie schauen sich ’n bisschen um, kaufen vielleicht etwas Günstiges. Ich muss wissen, wo die Überwachungskameras sind, brauche den Grundriss und die Anordnung des Verkaufsraums, alles, was Sie an Informationen sammeln können. Täuschen Sie Krämpfe vor oder Ihre Periode. Fragen Sie, ob Sie die Toilette benutzen dürfen. Wir müssen wissen, wie viele Räume es neben dem Verkaufsraum gibt, wie viele Türen, ob Hintertür und Fenster besonders gesichert sind.«
Am Abend saßen die drei wieder zusammen. Lydia trug eine neue Goldkette, die im Neonlicht des McDonald’s reichlich protzig aussah. Sie hakte ihren Zeigefinger darunter: »Kann ich Spesen abrechnen?«
Wyatt zeigte ihr ein Haifischlächeln: »Vielleicht ... «
»Ich habe nur eine Mitarbeiterin gesehen, jung, blond, nicht auf den Kopf gefallen. Sie heißt Danielle.«
»Sicherheitsvorkehrungen?«
»Reichlich und noch dazu Hochwertiges. Bewegungsmelder, Gitterstäbe und eine Alarmanlage am Hintereingang, ein neuer Safe.«
Wyatt schüttelte den Kopf. »Hört sich nicht gut an.«
Eddie Oberin rieb die Hände aneinander. »Also brechen wir nicht ein. Wir klauen den Audi, nachdem die Ware verladen wurde, entweder direkt vor ihrer Nase oder wir schnappen sie uns, wenn sie unterwegs sind.«
Wyatt nickte aber er wollte weder etwas aufgedrückt bekommen, noch zur Eile getrieben werden. Für einen Mann wie Oberin war Wyatt von einer fast unvernünftigen Langmut und Umständlichkeit. Bei dieser Besprechung ging es nur um die groben Umrisse, die Einzelheiten würde man später erörtern und vor allem nicht in einem Schnellrestaurant.
Am Mittwochnachmittag bewegten sich Wyatt und Lydia in Shorts, mit Hut, Bauchtaschen und in Wanderschuhen über die High Street. Sie hatte einen Lonely-Planet-Reiseführer in der Hand, er eine Digitalkamera. Sie hätten Amerikaner, wenn nicht sogar Deutsche sein können, bummelten eine Weile die Straße entlang und aßen dabei ein Eis. Als Lydia sich ein- oder zweimal bei ihm unterhakte, verkrampfte Wyatt innerlich, denn ihm behagte diese Berührung, sie war etwas Ungewohntes für ihn, Teil ihrer gemeinsamen Tarnung, und er fragte sich, ob Lydia es aus diesem Grunde tue.
Sie tat es wieder, als sie sich das Schaufenster des Geschäftes der Brüder Furneaux ansahen. Die Beleuchtung drinnen war schwach. Lydia versetzte Wyatt einen kleinen Stups, er betrat den Laden und schlenderte umher. »Schau mich nur mal um, Ma’am«, sagte er in schleppendem Tonfall. Die Frau, laut Lydia Danielle, lächelte und widmete sich wieder ihrer Beschäftigung. Er nahm die Schmuckstücke aus Nachlässen in Augenschein. »Und die Leute kaufen diesen alten Kram?«
Danielle lächelte wieder, diesmal ein wenig angespannter, und wandte sich ab.
Sofort schoss er mehrere Aufnahmen von einer Herrenarmbanduhr, eine Jaeger-LeCoultre, und verließ den Laden.
Später am Abend fand er die Armbanduhr im Internet. Rotgold, aus dem Jahre 1996, eins von fünfhundert Exemplaren aus einer limitierten Auflage. Sie war einem Bankier aus Lyon gestohlen worden.
Am Donnerstag sagte Wyatt zu Oberin: »Ich will mir die Rückseite des Gebäudes genauer ansehen und auch die Situation in den umliegenden Straßen.«
»Junge, was meinst du, womit ich mich in den letzten Wochen beschäftigt habe?«
Wyatt starrte Eddie an. »Neue Straßenbauarbeiten«, sagte er mit Nachdruck, »Einbahnstraßen in einiger Entfernung, Fahrbahnschwellen ... «
Eddie zuckte mit den Achseln. »Wie du denkst.«
Als Erstes gingen sie in einen Coffeeshop schräg gegenüber vom Geschäft der Furneaux’. Wyatt nahm einen grünen Tee, Eddie einen doppelten Espresso und einen Muffin. Um von den Männern, denen der Überfall galt, nicht gesehen und womöglich später wiedererkannt zu werden, saßen sie nicht direkt am Fenster und dennoch hatten sie uneingeschränkte Sicht auf das Juweliergeschäft. Eddie quatschte, Wyatt beobachtete. Der östliche Teil des Großraums von Melbourne war eine Art Gitterwerk aus langen Straßen, das die Vororte in Postleitzahlenbereiche schnitt. Dieser Teil der High Street lag in einem der besseren Bereiche und es gab Geschäfte voll mit Antiquitäten, Bekleidung, Einrichtungsgegenständen und Schmuck. In jedem dritten oder vierten Gebäude fand sich ein Bistro oder Coffeeshop und die Autos waren schicke Importmodelle: Audis, Minis und Peugeots.
»Als Erstes fällt mir der Verkehr auf«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher