Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
ausdruckslosen Lächeln, die Polizisten virtuos beherrschen. »Tatsächlich? Klauen diesen klobigen Vierradantrieb und nicht das schnuckelige Cabrio?«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war der leichter zu knacken.«
»Und die haben Ihnen dann die Reifen aufgeschlitzt, damit Sie sich nicht an ihre Fersen hängen können? Jugendliche? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ein paar Leute zum Feind gemacht, Henri? Wieder Ihre alten Tricks hervorgeholt?«
»Ich bin sauber«, murmelte Furneaux. »Seit Jahren.«
»Werfen wir doch mal einen Blick in Ihre Akte.«
Rigby blätterte in einem Hefter. »Ach ja ... hier ist es ... Ankauf gestohlener Waren.«
»Das ist Jahre her.«
»Oh, und Sie haben einen Bruder, der eine Haftstrafe wegen Einbruchs und Körperverletzung verbüßt hat. Die Katze lässt nun mal das Mausen nicht, Henri.«
»Nennen Sie mich nicht, Henri, Lyn.«
»Mr. Furneaux.«
Rigbys Blazer und Hosen machten es ihm unmöglich, ihre Figur klar zu erkennen. Sprödes schulterlanges Haar, abgeknabberte Fingernägel, weder Ehe- noch Verlobungsring, trübe, ausdruckslose Augen. Aber er wusste, sie war ehrgeizig, kaltschnäuzig und auf ihre Art knallhart. Und in diesem Moment ein Störfaktor. Furneaux wollte sie aus dem Büro haben, damit er Alain über die Geldforderung informieren konnte.
Wieder sah er auf seine Armbanduhr. Kurz vor vier. »Dauert es noch lange?«
Vor seinem geistigen Auge sah er seinen Cousin vor sich, seine strenge, zähe Unerschütterlichkeit. Alain wusste mit Sicherheit, was zu tun sei. Würde Rigby doch nur einen Zahn zulegen, mit ihrer Fragerei endlich zum Ende kommen und sich auf ihr Revier verziehen.
»Da passt einiges nicht zusammen«, sagte sie. »Sie haben flüchtig mitbekommen, wie die Diebe davonfuhren?«
»Genug mitbekommen, um davon ausgehen zu können, dass es Jugendliche waren.«
»Wie gesagt, Jugendliche, derart clever und unerschrocken, dass sie Ihren dicken Audi stehlen und Luft aus den Reifen lassen, damit Sie sie nicht verfolgen können.«
Das war eine Feststellung, keine Frage. Furneaux zuckte mit den Achseln. »Nun, die Jugend von heute.«
»Ach, und Sie sind inzwischen ein weiser, alter Mann, Henri?«
»Lecken Sie mich ... «
»Woher wissen Sie, dass es sich um Jugendliche gehandelt hat, obwohl Sie die Burschen nicht genau beobachtet haben?«
»Ihre Kleidung, Größe, solche Sachen eben, okay?«
Sein Mund fühlte sich trocken an. Er konnte förmlich sehen, wie sich die Inhaberobligationen und Schatzbriefe in Luft auflösten. Es wäre so einfach gewesen, sie zu waschen, gegen sauberes Geld und sichere Bankanleihen einzutauschen, aber jetzt waren sie im Besitz einer Verrückten. Wollte eine Million Dollar dafür. Woher sollte er so viel Geld nehmen, verdammt noch mal? Und wer zum Teufel war sie? Sie hatte völlig übergeschnappt geklungen.
»Irgendwie erscheint mir die Vermutung nachvollziehbar, dass es Jugendliche gewesen sein könnten«, meinte Rigby nachdenklich.
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
»Oh, da bin ich anderer Meinung, Henri.«
Furneaux starrte sie an.
»Da wäre noch die Sache mit Ihren verschwundenen Juwelen.«
»Welche Juwelen?«, fragte Henri in der Annahme, die Leute von der Spurensicherung hätten in der Asche herumgestochert, hätten weder geschmolzenes Gold und Silber gefunden noch Edelsteine und dachten nun an einen Juwelenraub.
»Hört sich das für Sie nicht nach einer Tat von Insidern an, Henri? Von jemandem, der weiß, dass Sie Ihre Schätze in einem Audi der Luxusklasse durch den Bundesstaat karren?«
Was wusste sie über seine Liefertouren? »Vermag ich nicht zu sagen.«
»Versuchen Sie’s.«
Wieder zuckte Furneaux mit den Schultern. Doch sein Verstand war in Aufruhr. Die Diebe hatten eine Ladung Schmuck erwartet, aber Wertpapiere gefunden, wussten jetzt nicht, wie sie die versilbern sollten, und wollten sie ihm gegen Bares zurückgeben.
Sie wähnen sich in einer aussichtslosen Lage, dachte er und fühlte sich gleich entspannter. Solche Menschen machen Fehler. Und ihr großer Fehler würde Alain sein.
»Hören Sie, es befand sich nichts im Audi. Vor nächster Woche steht keine Lieferung an. Ich bleibe dabei, das waren Jugendliche.«
»Na gut. Abgesehen mal von der Quelle, aus der Sie die Waren beziehen, die Sie transportieren, könnte es sein, dass einer Ihrer Kunden beschlossen hat, zuzuschlagen, bevor Sie die Stadt verlassen?«
Das hätte Furneaux auch gern gewusst. Er erwiderte nichts, sondern
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