Dirty Talk
„Ja.“
„Wirklich bewundernswert, dein Streben nach Wahrheit. Du hast ihn also gevögelt, und alle Geheimnisse des Universums haben sich dir mit einem Mal enthüllt.“
„Es tut mir leid“, sagte ich hilflos. Ich sah, wie seine Gesichtszüge sich verhärteten, und ich liebte ihn in diesem Moment mehr, als ich jemals für möglich gehalten hätte. „Wenn ich dich nicht lieben würde, hätte ich dir nichts davon gesagt. Es tut mir so schrecklich leid.“
„Natürlich.“ Er kam auf mich zu, und ich bekam Angst. Seine Haltung und der schmerzliche Ausdruck auf seinem Gesicht bereiteten mir ebenfalls Schmerzen. „War es gut, Jo?“
„Hör auf damit. Bitte.“ Ich wich vor ihm zurück.
„Ich will dir mal was sagen. Wenn du mich wirklich lieben würdest, hättest du nicht mit einem anderen Mann rumgevögelt. Und du würdest mir jetzt auch nicht davon erzählen oder dir selbst einreden, warum du das unbedingt hast tun müssen. So einfach ist das.“ Er legte seine Hände ganz vorsichtig um meinen Hals. Seine Daumen streichelten mein Schlüsselbein. „Hat er dich zum Orgasmus gebracht?“
„Bitte fass mich nicht an, Patrick.“
Er ließ die Hände sinken. Plötzlich wirkte er aschfahl, als sei ihm übel. „Die Strapse waren also für ihn. Und das sexy rote Spitzenhöschen auch. Himmel, ich habe dir wirklich geglaubt, als du behauptet hast, du würdest sie für mich tragen. Bist du bei ihm nass geworden, Jo?“
„Hör auf damit!“
„Bist du gekommen?“
„Ich weiß, wie schrecklich das für dich ist …“
„Bist du gekommen? Los, Jo. Sag mir die Wahrheit. Geht es nicht die ganze Zeit um die Wahrheit? Bist du gekommen?“
„Ja“, wisperte ich verletzt.
„Und hat er dich in den Arsch gefickt?“
Ich schüttelte den Kopf. Ich stand kurz davor, in Tränen auszubrechen. Er sollte nicht sehen, wie ich zusammenbrach.
„Verlogene Schlampe.“ Er wandte sich ab und ging.
Ich sank zu Boden und heulte, sobald er verschwunden war. Ich hatte ihn verloren und bebte kummervoll und voller Schmerzen. Ich hasste mich, weil ich so dumm und grausam war. Als ich das nächste Mal aufblickte, sah ich, dass mir noch zehn Minuten blieben, ehe ich wieder auf Sendung ging. Ich wischte mein Gesicht trocken und stand auf. Dann schaltete ich das grelle Licht aus, als könnte ich im Halbdunkel den Schaden, den ich angerichtet hatte, verbergen.
Und dann sah ich zwei Dinge.
Beide waren rot, und beide blinkten.
Das eine waren die Telefonleitungen, die direkt ins Studio durchgestellt wurden. Aber gut möglich, dass ich das Klingeln nicht gehört hatte, das hätte mich nicht gewundert. Denn wenn das Mikro an war, wurden die Telefonanrufe im Studio stumm gestellt.
Das andere rote Licht zeigte an, dass jemand auf Sendung war. Dass das Mikro eingeschaltet war.
Ich hechtete zum Mischpult und betete stumm, dass ich den Schieberegler nach unten geschoben hatte. Aber er war noch immer in seiner normalen Position. Jedes ätzende, obszöne Wort, das Patrick und ich gewechselt hatten, war in unserem kompletten Sendegebiet zu hören gewesen. Ich riss den Regler nach unten und schaltete ihn ganz aus. Dann saß ich völlig gelähmt auf meinem Stuhl und sah die Telefone blinken, hell, dunkel, hell, dunkel, weil sie immer wieder klingelten. Das Klingeln gellte mir in den Ohren.
Ich konnte nicht wissen, wie viel die Leute da draußen gehört hatten. Wir waren nicht so nah am Mikro gewesen, dass sie unbedingt alles gehört hatten. Aber offensichtlich genug.
Dann nahm ich behutsam einen Schluck Wasser, gurgelte ein wenig damit und bereitete die nächste CD vor. Ich atmete tief durch und schaltete das Mikro wieder ein und schob den Regler nach oben. Ich teilte den Zuhörern kühl und in aller Ruhe mit, welches Stück wir gerade gehört hatten und was als Nächstes kam sowie die Uhrzeit und die Außentemperatur. Regler nach unten, Mikro ausschalten, Musik einsetzen lassen. Fertig.
Ich nahm mein Handy aus der Handtasche und schaltete es ein. Sechs Anrufe von Patrick sowie drei SMS von ihm. Drei Anrufe vom Sender – vermutlich von Ann – und einer, der vor wenigen Minuten von Kimberly gekommen war. Ich löschte alle aus der Liste und rief sie zurück.
„Süße, was um alles in der Welt ist da bei dir los?“ Ihre Stimme klang hoch und verzweifelt. „Bleib wo du bist, ich bin in fünf Minuten bei dir.“
„Nein, das musst du nicht tun. Es ist spät. Ich …“ Aber sie hatte schon aufgelegt, und fünf Minuten später klingelte
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