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Dirty Talk

Dirty Talk

Titel: Dirty Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mullany
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spielte er sehr gut Klavier, und ich hatte einfach eine Schwäche für Musiker.
    Er beendete das Stück. „Du spielst auch?“, fragte er.
    „Nein. Du bist ziemlich gut.“
    „Danke schön.“
    Ich fragte mich, ob ich ihm vertrauen konnte, und entschied mich, das Risiko einzugehen. Zumindest, solange seine Finger auf den Klaviertasten ruhten und nicht über meinen Körper spazierten. „Erzählst du mir, wie das alles hier funktioniert, Ivan? Wie schafft man es, aufzusteigen?“
    Er spielte ein paar Tonleitern. „Du musst es schaffen, dir einen gewissen Kredit zu erwerben. Die da oben“, er nickte zur Galerie hinauf, „werden es bemerken, wenn du hervorstichst. Wenn du aktiv bist, wenn du dich mit uns anderen abgibst. Sie mögen es, wenn wir bestraft werden, aber da gibt es klare Grenzen. Es gibt Leute, die stehen total auf Bestrafung. Wenn du drauf stehst, ist das in Ordnung.“
    „Wie lange dauert es, bis man aufsteigt?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Einige schaffen es innerhalb weniger Tage. Eine Woche, vielleicht zwei.“
    „Was passiert oben?“
    „Zuerst das, was sie wollen. Dann wirst du eine von ihnen und darfst selbst Entscheidungen treffen.“
    „Und wenn man aufsteigt, bleibt man oben?“
    „Manche mögen es hier unten. Pete zum Beispiel liebt es, sich als Chef aufzuspielen. Er wird hier unten bleiben, solange er kann. Also bis er zu alt wird. Sie mögen es nicht, wenn jemand hier im Raum über dreißig ist, und er ist inzwischen knapp neunundzwanzig.“ Wieder ein paar Akkorde. Eine Melodie von Ellington, erkannte ich.
    „Warst du schon mal oben?“
    „Ja.“ Seine Hände ruhten auf den Tasten. „Ich … das war für mich keine gute Erfahrung. Jetzt bleibe ich lieber hier unten.“
    „Das tut mir leid.“
    „Baby, verschwende bloß nicht deine Zeit damit, mich zu bemitleiden. Ich werde schon früh genug wieder versuchen, dich reinzulegen. Und du wirst mir im Gegenzug eine andere Gemeinheit antun.“
    Ich musterte ihn prüfend und fragte mich, welchen Schmerz er so sorgsam verbarg. Ob wir wohl Freunde werden konnten? Ich setzte mich neben ihn auf den Klavierhocker. „Ich mag dich, Ivan.“
    „Hey, ich mag dich auch. Zumindest glaube ich das. Die Frage ist doch, ob wir uns genug mögen, um die Regeln zu brechen?“
    „Du weißt genauso gut wie ich, dass die Regeln rein rechtlich betrachtet Müll sind“, erwiderte ich.
    „Wenn du lange genug hier bist, wirst du diese Regeln sehr ernst nehmen“, antwortete er. „Und nach einer Weile kann das, was hier drin abgeht, dir manchmal realer vorkommen als alles, was da draußen passiert.“
    Ich blickte über seine Schulter hinweg in den Raum und auf die anderen Leute. „Stimmt. Aber ich find’s hier unten langweilig. Nur ein bisschen rummachen reicht mir eben nicht.“
    „Es ist darauf ausgelegt, dich zu langweilen.“ Er lächelte mich an. „Wenn wir Internetzugang und unsere Handys hier hätten, würden wir die anderen ignorieren. Schon ein Kabelanschluss würde genügen, dass hier nichts passiert.“
    Er blätterte durch das Notenheft und spielte eine weitere Nocturne von Chopin, während ich mich fragte, ob mir irgendwie auf die Stirn geschrieben stand, dass man mir heute ruhig sein Herz ausschütten konnte. Erst Patrick und jetzt auch noch Ivan …
    Ich schlenderte zum Bücherregal und suchte einen zerfledderten Mysterythriller raus. Dann setzte ich mich in einen der überdimensionalen Sessel, genehmigte mir einen Teller mit Käse und Crackern und ein zweites Glas Wein. Schon bald hockte Jennifer auf der Sessellehne.
    „Was liest du da?“
    Ich zeigte ihr das Buchcover.
    „Ist das gut?“ Weil ich sie ignorierte, beugte sie sich vor und berührte meine Brust. „Komm, wir ziehen unsere Oberteile aus und machen rum.“
    „Nein. Ich will lesen.“
    „Frigide Schlampe!“ Sie rauschte davon, während ich mir ein Lachen verbeißen musste.
    Wenn ich das richtig sah, war das bewusste Brechen der Regeln zum rechten Zeitpunkt die beste Garantie, um möglichst rasch nach oben aufzusteigen. Am besten, wenn genug Leute oben auf der Galerie zusahen, und der Regelbruch musste so eklatant sein, dass er eine Bestrafung nach sich zog. Und ich wollte definitiv nach oben aufsteigen, um voranzukommen. Das war ein Konkurrenzdenken, von dem ich eigentlich angenommen hatte, es ruhe seit meiner Zeit als Tänzerin. Selbst wenn ich keine Ahnung hatte, was mich „oben“ erwartete, wollte ich mich auf jeden Fall der Herausforderung stellen.

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