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Dirty

Dirty

Titel: Dirty Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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Schuldgefühle, weil ich froh war, als ich von seinem Tod hörte. Als Dad mich bei Onkel John anrief, um mir zu sagen, dass Andrew sich umgebracht hatte, lachte ich.“
    Das hatte ich nicht gewusst. „Ach Chad.“
    „Ich hätte damals nach Hause kommen sollen.“
    „Du hättest nichts ändern können. Und sie hätte dir nur auch noch das Leben zur Hölle gemacht.“ Ich schüttelte den Kopf. „Aber sieh mal, wir beide haben es geschafft, wir haben tolle Berufe und unsere eigenen Häuser. Ein eigenes Leben. Du hast Luke. Uns geht es gut.“
    „Tatsächlich?“, fragte er. „Geht es dir gut?“
    „Ich tue mein Beste?“, entgegnete ich. „Ich tue, was ich kann.“
    „Ich auch.“
    Von einem Menschen verstanden zu werden, der damals dabei gewesen war, half mir mehr als jede Therapie. Beide hatten wir dieses Elternhaus überlebt und das, was darin vor sich gegangen war.
    „Er brachte Mom zum Lache?“, sagte ich nach kurzem Schweigen. „Und wenn sie lachte, dann liebte sie uns genauso sehr wie ihn.“
    „Ja“, murmelte Chad. „Ich schätze, das ist ein guter Grund, um ihm zu vergeben, oder?“
    Und zum ersten Mal dachte ich, es könnte so sein.
    Ich brachte Blumen zum Friedhof. Lilien für meinen Vater und Sonnenblumen für meinen Bruder. Meine Mutter hatte sie nebeneinander beerdigen lassen. Auf den Grabsteinen waren ihre Namen, Geburts- und Todestage eingraviert. Auf dem meines Vaters stand?“geliebter Ehemann und Vate?“. Ich kniete mich auf die Erde, erschauerte unter einer plötzlichen kühlen Windbö, und versuchte zu beten.
    Es funktionierte nicht sonderlich gut. Meine Gedanken schweiften ab, während die Perlen des Rosenkranzes durch meine Finger glitten, und schließlich steckte ich ihn wieder in die Tasche. Dann saß ich ruhig in dem weichen Gras und weinte stille, mühelose Tränen.
    Irgendwie schien es mir nicht richtig. Unvollständig. Bei beiden Beerdigungen war ich nicht gebeten worden, eine Rede zu halten. Jetzt musste ich die Worte finden, die ich so lange in mir vergraben hatte. Ich sagte meinem Vater, dass ich ihn liebte und ihm vergab, dass er den Alkohol seiner Tochter vorgezogen hatte. Und ich meinte jedes einzelne Wort so, wie ich es sagte.
    Es fiel mir genauso schwer, wie mir alles andere schwerfiel, und als ich geendet hatte, wusste ich, dass es noch nicht vorbei war. Eine Weile saß ich schweigend da, machte im Geiste eine Liste der guten Dinge, an die ich mich erinnern konnte, um mich daran festzuhalten und das Böse zu ersetzen.
    Und dann tat ich es.
    „Du hast mir gezeigt, wie man den Großen Wagen findet, Andre?“, sagte ich laut. „Damals war ich sechs. Es war das erste Mal, dass ich in den Nachthimmel blickte und etwas anderes sah als Sterne, die man zählen konnte. Du hast mir beigebracht, dass es dort auch Schönheit zu entdecken gab.“
    Die Blätter der Bäume färbten sich bereits gelb und rot, Wind rauschte in ihnen. Ich stellte mir nicht vor, dass es sich um eine Berührung der Engel oder eine Antwort meines Bruders handelte. Ich sah, wie die Blätter sich kräuselten in ihren lebhaften Farben, die doch schon den Tod ankündigten. Aber ich fand den Gedanken, dass sie im Frühling wieder zum Leben erweckt würden, tröstlich.
    Das wollte ich auch. Zum Leben erweckt werden. Und wie ich da vor den Gräbern der beiden Männer saß, die mein Leben mehr geformt hatten als jeder andere, dachte ich, dass es mir vielleicht gelingen könnte. Dass ich wieder lebendig werden könnte. Meinen eigenen Frühling erleben.
    Ich wartete darauf, dass etwas geschah. Sich vielleicht die Himmelspforte öffnete und ein Regenbogen auf die Erde geschickt wurde oder dass Hände aus der Erde stießen und mich packten. Aber da war nur der Wind, und ich begann mit den Zähnen zu klappern.
    Doch ich fühlte mich besser. Ich hatte mich einem weiteren Dämonen gestellt und hatte es unversehrt überstanden. Wie viele gab es wohl noch?
    Ich stand auf, fegte Erde und Gras von meinem langen Rock, dann bückte ich mich, um die Blumen zu arrangieren. Ich zupfte etwas Unkraut weg, fuhr dann mit der Fingerspitze ihre Namen auf den Grabsteinen nach und dachte, wie ungenügend die Aufschrift war, um das Leben dieser Männer zu beschreiben.
    „Er liebte englische Komödie?“, sagte ich laut, die Hand auf dem Grabstein meines Vaters. „Und er liebte irische Musik. Er benutzte Old-Spice-Rasierwasser, er ging gerne fischen und aß alles, was er fing. Er wurde in New York City geboren, zog aber mit drei

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