Dirty
mich lange gesehnt hatte. Akzeptanz.
„Nein, Mutter“, sagte ich ruhig. „Das weiß ich nicht. Und ich schätze, das werde ich nie wissen.“
Sie nickte, richtete dann ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Kaffee und ihre Zigarette, und zum ersten Mal konnte ich sehen, dass sie nicht die Märchenprinzessin war, die ich mir als Kind vorgestellt hatte, und nicht die Hexe, die sie später für mich geworden war. Sie war eine Frau. Doch nur eine Frau.
Ich umarmte sie, der Rauch ihrer Zigarette brannte in meinen Augen. Zuerst rührte sie sich nicht, aber dann tätschelte sie mir den Rücken. Wir sagten nichts mehr, und ich ließ sie an dem Tisch zurück. Ich dachte, dass ich vielleicht wiederkommen könnte und wir uns weiter unterhalten würden. Aber für diesen Moment hatten wir genug getan.
Ich wurde nicht fromm, obwohl ich gelegentlich die Messe besuchte. Ich hörte auch nicht auf, meine Mutter?“nicht zu hasse?“, und wenn sie mich anrief, nahm ich tatsächlich gleich ab, um mir ihr zu reden. Die Gespräche waren angespannt, distanziert und höflich. Sie fragte nicht mehr nach Dan, erzählte dafür mehr aus ihrem eigenen Leben. Dass sie jetzt Mitglied in einem Fitnessklub und in einem Lesezirkel war. Ich fand es merkwürdig, mit ihr über solche Unwichtigkeiten zu sprechen, und sie hielt es sicher für nicht weniger sonderbar, mich nicht ständig mit Kritik zu überfallen. Wir beide bemühten uns also, und ich akzeptierte, dass es vielleicht nie mehr für uns geben würde als das.
Ich verbrachte die Nächte so, wie ich es die letzten Jahre meistens getan hatte. Allein. Ich las viel. Ich strickte. Ich strich meine Küche und reinigte meine Teppiche. Ich hatte auf einmal wieder viel Zeit. Ich hätte ihn anrufen können. Ich hätte ihn anrufen sollen. Doch Stolz hielt mich davon ab, gemischt mit Angst. Was, wenn er mich nicht zurückrufen würde? Oder noch schlimmer, wenn er einfach auflegte?
Ich hatte lange ohne Dan gelebt, und es gab keinen triftigen Grund dafür, warum ich jetzt nicht auch ohne ihn auskommen sollte. Keinen triftigen Grund, außer dass ich ihn vermisste. Er hatte mich zum Lachen gebracht. Er hatte mich dazu gebracht, mich selbst zu vergessen.
Als es eines Abends an meiner Tür klingelte, lief ich mit einem Kloß im Hals die Treppe hinunter und wünschte, ich wäre geschminkt und einigermaßen frisiert. Doch den Mann vor der Tür hätte das kaum weniger interessieren können. Er riss mich in die Arme und drückte mich, dann begann er mich zu kitzeln, bis ich keine Luft mehr bekam.
„Chad!“ Ich machte mich von ihm los, holte ein paarmal tief Luft, dann drückte ich ihn noch mal und betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. „Was machst du denn hier?“
„Luke hat mich überredet, endlich mal meine große Schwester zu besuchen.“ Er grinste.
Und er sah gut aus, mein kleiner Bruder, der seit der Pubertät größer war als ich. Er hatte blonde Haare und ich braune, seine Augen waren braun, meine blau, seine Haut gebräunt und meine blass – wir hatten nicht viel Ähnlichkeit, von unserem Lächeln einmal abgesehen. Ich suchte nach Zeichen der Zeit in seinem Gesicht und fand ein paar.
„Ich kann nicht glauben, dass es so lange her is?“, sagte er.
„Ich schon.“ Ich zog ihn hinein. „Ich kann vielmehr nicht glauben, dass du hier bist.“
Selbst als er an meinem Küchentisch saß und seine letzten Abenteuer herunterratterte, konnte ich kaum fassen, dass es wirklich mein Bruder war. Er unterbrach seine Erzählung, sah mich lange an und nahm meine Hand.
„Wieso schaust du mich so an, Schätzchen?“
„Ich bin einfach nur froh, dass du hier bist, Chaddie.“ Ich hielt seine Hand sehr fest.
Wir waren Überlebende.
Natürlich ließ ich nicht zu, dass er in einem Hotel übernachtete. Es war schön, ihn bei mir zu haben. Mit jemandem morgens Kaffee zu trinken und ihm Spiegeleier zu braten. Jemanden, der mich so gut kannte, dass ich nichts erklären musste. Abends gingen wir essen, ins Kino oder tanzen. Und stundenlang saßen wir auf meiner Couch und unterhielten uns. Sahen uns Folgen von Ein Duke kommt selten allein an und stritten darüber, welcher Cousin der hübschere war, Bo oder Luke. Chad war der Meinung, es würde ihre Attraktivität bedeutend erhöhen, wenn sie sich endlich mal einen Zungenkuss gäben, und ich musste so heftig lachen, dass ich das ganze Popcorn verschüttete.
„Ich habe dich so vermisst“, erklärte ich ihm bei einer Tasse heißer Schokolade mit Sahne. „Ich
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