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Dirty

Dirty

Titel: Dirty Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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gehört. Nach dem Essen half er mir beim Abräumen und stellte das Geschirr in die Spülmaschine. Dann drehten wir die Musik wieder auf und fuhren fort, zu streichen.
    Mein Haus ist alt, ich habe keine Klimaanlage einbauen lassen. Und das Esszimmer hat keine Fenster. Wir schwitzten. Die Schnitte auf Gavins Bauch sah ich, als er das T-Shirt hochzog, um sich das Gesicht abzuwischen.
    Vier, fünf, sechs gerade rote Linien, um die herum die Haut geschwollen und gerötet war. Das rührte nicht von Katzenkrallen her, es sei denn von übernatürlich riesigen.
    Ich konnte es nicht länger ignorieren. Denn auch ich hätte einmal jemanden brauchen können, der mich zum Reden zwang, was aber niemand getan hatte. Prinzessin Pennywhistle konnte vielleicht ganz allein den Schwarzen Ritter besiegen, aber ich hatte Hilfe gebraucht und sie damals nicht bekommen.
    „Gavin. Komm mal her.“
    Er drehte sich mit dem Farbroller in der Hand um. Etwas an meinem Gesichtsausdruck schien ihn zu beunruhigen, denn er erblasste. „Was?“
    Ich winkte ihn zu mir. „Komm.“
    Zögernd und mit verdrossenem Blick kam er zu mir. Er verschränkte die Arme vor der Brust, und wir starrten uns einen Moment lang an, bevor ich die Musik leiser stellte. Die Stille zwischen uns war sehr laut.
    „Schieb mal dein T-Shirt hoc?“, bat ich.
    Er schüttelte den Kopf. Als ich meine Hand auf seinen Arm legte, zuckte er so zusammen, dass es mir fast das Herz zerriss.
    „Ich will es mir nur anschauen, Gav.“
    Wieder schüttelte er den Kopf. Ich fragte ihn nicht noch mal, ließ aber auch seinen Arm nicht los. Nach einer Minute etwa zog er das T-Shirt nach oben und zeigte mir seine Wunden. Ich zwang mich, keine Miene zu verziehen. „Die sehen schlimm aus.“
    „Geht schon.“ Seine Stimme zitterte ein wenig. Seine Muskeln unter meiner Hand wurden hart wie Stein.
    „Hast du etwas draufgeschmiert? Damit sie sich nicht entzünden?“
    „Ich … nein …“
    Ich legte kurz meine Hand auf seinen Bauch. „Deine Haut ist ganz heiß. Das ist kein gutes Zeichen. Mit was hast du das gemacht?“
    „Mit einer Glasscherbe.“
    „Komm mit mir nach oben, wir werden Salbe draufschmieren.“ Ich lief zur Treppe, beinahe sicher, dass er mir nicht folgen würde. Dass er abhauen würde. Doch er kam mit mir ins Badezimmer und setzte sich gehorsam auf den Toilettendeckel, während ich mein Medizinschränkchen nach Jod, Wundsalbe und Binden durchsuchte.
    „Zieh das aus, dann geht es besser.“
    Er legte sein T-Shirt auf das Waschbecken. Verblasste weiße Narben verliefen kreuz und quer über seiner Brust und seinen Oberarmen, während die frischeren Wunden auf dem Bauch waren. Ich reinigte sie sorgfältig, tupfte die Salbe auf und umwickelte ihn mit Binden, aber ich konnte sie nicht zum Verschwinden bringen.
    Ich setzte mich auf den Rand der Badewanne. „Willst du mir davon erzählen?“
    Schon wieder schüttelte er den Kopf, aber schon wieder lief er nicht davon, er zog sich nicht einmal das T-Shirt über. Ich verstaute Jod und Wundsalbe in dem Schränkchen, wusch mir die Hände, und er stand noch immer nicht auf. Seine Schultern bebten, er kämpfte gegen die Tränen an.
    Ich wusste nicht, wie es ging. Wie man zur Vertrauten wurde. Ich wusste nicht genau, wie man die Schmerzen eines anderen erträglicher machte. Als ich seine Tränen sah, war ich diejenige, die am liebsten abgehauen wäre. Doch stattdessen legte ich eine Hand auf seine Schulter.
    „Gavi?“, presste ich hervor, und da begann er zu schluchzen wie ein verängstigtes Kind. Irgendwie schaffte ich es, die Arme um ihn zu schlingen. Sein Gesicht drückte sich heiß an meinen Hals. Er war so dünn, dass seine Schulterblätter in meine Hand pikten, aber ich ließ ihn nicht los.
    „Sie berührt mich ni?“, flüsterte er mit einer Stimme dick vor Scham und Selbsthass. „Sie umarmt mich nie oder sagt, dass sie mich lieb hat. Aber von ihm kann sie die Finger nicht lassen.“
    Ich rieb ihm über den Rücken. „Warum fügst du dir selbst solche Schmerzen zu?“
    Er setzte sich auf und fuhr sich über die Augen. „Dann spüre ich wenigstens irgendwas, Mann. Ich muss doch was spüren.“
    „Hast du deiner Mom davon erzählt?“
    „Hab ich versucht, aber sie will nicht zuhören.“
    Ich reichte ihm das T-Shirt, dann ein Taschentuch, er putzte sich die Nase und warf das Taschentuch in den Mülleimer, ohne mich anzusehen.
    „Was glaubst du, warum deine Mutter dich nicht umarmt?“
    „Weil sie mich hast“, antwortete

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