Dirty
zurück. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und mein Herz setzte für einen Moment aus.
„Du magst ihn, nicht wahr?“, hakte Marcy nach. „Das sieht man.“
„Ja, ich mag ihn.“
Marcy hat kein Gefühl für persönliche Grenzen. Sie legte einen Arm um mich und ließ ihr Kinn auf meiner Schulter ruhen. Es war ein wenig spitz, ich zuckte zusammen.
„Also?“, fragte sie. „Wo ist das Problem?“
„Es gibt kein Problem.“
Ich mag den Künstlermarkt. Mir gefallen die Verkaufsstände und die Künstler und die Karnevalsatmosphäre, mir schmeckt sogar das Essen. In diesem Jahr gab es eine schwimmende Bühne auf dem Fluss. Wir besorgten uns etwas zu essen und zu trinken und hockten uns auf die Betonstufen am Ufer. Die Band spielte Oldies, die den meisten gefielen und niemanden verärgerten. Marcy und Wayne saßen eng nebeneinander, fütterten sich gegenseitig mit Pommes frites und teilten sich einen Milchshake. Dan und ich saßen mit Abstand voneinander und teilten gar nichts.
Als er mich nach Hause brachte, hielt ich ihm einfach wortlos die Tür auf, damit er hereinkommen konnte. Dann ging ich durch den schmalen Gang Richtung Küche. Am Esszimmer blieb er stehen. „Wow.“
„Damit bin ich gerade erst fertig geworde?“, sagte ich verschämt.
Er betrat den merkwürdig geschnittenen Raum und las das Zitat an der Wand. „Aus Der kleine Prinz.“
„Du kennst es.“
Er blickte mich über die Schulter an. „Ich habe es gelesen, weil du es mir empfohlen hast.“
Wieder flatterten meine Nerven, und so eilte ich schnell aus dem Zimmer in die Küche und setzte Teewasser auf. Er folgte mir.
„Die Küche ist auch hübsch.“ Er blickte sich um in meiner schwarz-weißen Existenz.
„Danke.“
„Das Bild gefällt mir.“ Er zeigte auf eine Schwarz-Weiß-Fotografie, die ich neben die Hintertür gehängt hatte. Darauf war ein Mädchen zu sehen, dessen Gesicht von langem dunklen Haar verdeckt wurde. Sie saß allein auf einer Steinmauer an einem Karpfenteich und umarmte ihre Knie. Die Wasseroberfläche kräuselte sich. Das Bild erinnerte mich an all die Gründe, warum ich ihn immer wieder von mir stieß. Ich wartete, dass er das Bild genauer betrachtete. Dass er es wirklich sah.
„Wo hast du es her?“ fragte er.
„Das hat mein Bruder gemacht.“
Der Wasserkessel pfiff, ich übergoss die Teebeutel – Earl Grey, mein Lieblingstee – und hielt kurz mein Gesicht über den duftenden Dampf.
„Das bist also du.“
„Ja.“
„Wie alt warst du da?“ Mit den Händen in den Hosentaschen trat er einen Schritt näher und studierte das Foto.
„Fünfzehn.“
Ich stellte Tassen auf den Tisch, Zucker, Milch und Schokoladenkekse, obwohl ich Magenschmerzen von dem Meerrettichsandwich hatte. Ich musste die Vase mit dem Glücksbambus wegstellen, um genug Platz zu haben.
„Woran hast du gedacht, als das Foto gemacht wurde?“
Die Frage erschreckte mich dermaßen, dass ich die Vase fallen ließ. Glücklicherweise war sie aus hartem, durchsichtigem Plastik und nicht aus Glas, aber der Bambus und das Wasser mit den Murmeln ergoss sich über den Boden. Ich stieß ein herzhaftes „Scheiße!“ aus.
Dan war bereits neben mir, um mir zu helfen, und das nervte mich. Ungeduldig scheuchte ich ihn weg und beugte mich mit einem Handtuch über den Fußboden.
„Er wird es überleben, Elle. Bambus ist zäh.“
„Das war ein Geschenk.“ Ich wischte das Wasser auf, während er die Bambusstiele auf den Tisch legte. „Es war ein Geschenk. Jetzt sind die Wurzeln kaputt?“
Er sammelte die Murmeln auf. „Das wird schon wieder, Ellen.“
Ich stand auf, um das Handtuch auszuwringen, und ich musste ihm den Rücken zukehren, um ihm nicht etwas Unhöfliches entgegenzuschleudern. Etwas, das er nicht verdiente und ich ihm trotzdem an den Kopf werfen wollte. Ich hörte, wie er die Murmeln in die Vase plumpsen ließ, und drehte mich zu ihm um. „Mach die Vase nicht kaputt?“
Mit zusammengekniffenen Augen sah er mich an. „Ich mache sie nicht kaputt.“
Ich betrachtete die Murmeln in der Vase und die in seiner Hand. „Du hast drei liegen lassen.“
Er sah sich um. „Wo?“
„Ich weiß nicht, w?“, zischte ich wütend. „Ich weiß nur, dass es 287 waren, und jetzt sind es nur noch 284.“
„Elle.“ Dan stellte sich hinter mich, rührte mich aber nicht an.
„Ich habe gezähl?“, sagte ich, “als das Foto gemacht wurde. Ich habe die Fische im Teich gezählt.“
Er legte leicht eine Hand auf meine Schulter.
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