Disco Dracula
er den Mund. Sein Vampirgebiss hatte er schon zuvor hineingesteckt. Die Zähne schimmerten weiß.
Es war gar nicht einfach, mit dem Gebiss im Mund zu sprechen, doch Bittl hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass er trotz allem einige Worte herausbekam, die durch Lautsprecher verstärkt wurden und jeden Winkel des Gewölbes erfassten.
Alle Blicke waren ihm zugewandt. Die Gäste hatten ihre Plätze am Tresen verlassen, und sogar die beiden Mädchen von der Kasse schauten zu. Die Tür war währenddessen abgeschlossen. Auch die junge Garderobiere hatte es nicht mehr gehalten, sie wollte die Schau ebenfalls mitbekommen.
Heinz Grattner stand an eine Säule gelehnt. Er sah Ro Bittl zwar auch, doch seine Gedanken schweiften ab. Das Verschwinden der Mädchen inzwischen glaubte er selbst daran - ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Hinzu kamen die Gesichter, die er in der Wand hatte schimmern sehen, wofür er auch keine Erklärung hatte. Und jetzt die Schau. Er hätte gern darauf verzichtet, obwohl es ja nur Imitation war, aber das ungute Gefühl ließ sich einfach nicht mehr unterdrücken. Er ahnte, dass es diesmal nicht so glatt ablaufen würde wie sonst, und nervös zündete er sich eine Zigarette an.
Immer wieder glitt sein Blick hinüber zur Hexenstube. Viel konnte er nicht erkennen. Die um die Tanzfläche herumstehenden Gäste verwehrten ihm den Blick.
Dann hörte er die Stimme. Dumpf klang sie aus den Lautsprechern, und manch weiblicher Gast bekam jetzt schon eine Gänsehaut.
»Mitternacht«, sagte Roland Bittl. »Ich musste aus meiner Gruft, wurde von euch hergelockt, um Blut zu trinken. Ein alter Fluch läßt mir keine Ruhe. Ich musste kommen, der Trieb war zu stark. Ich will bei euch sein. Ich will tanzen, will meine Opfer, will das Blut…« Schaurig lachte er auf, und das Gelächter pflanzte sich an den kahlen Wänden fort, bis es irgendwo im Hintergrund verhallte. »Der Vampirwalzer! Wer von euch ist bereit, den Vampirwalzer mit mir zu tanzen? Wer? Sagt es?«
Keine Antwort.
Wieder das Lachen. Diesmal spöttischer. Ro Bittl hatte seine Schau genau einstudiert, und die Gäste wussten Bescheid.
»Traut sich keiner von euch? Seid ihr alle feige, ihr Hexenschwestern?«
Leises Lachen.
Dann eine Stimme. »Versuch's doch mal mit einem Knaben. Ein schwuler Vampir, wäre mal was Neues.«
Bittl konterte sofort. »Du hast wohl den Film ›Tanz der Vampire‹ nicht gesehen, wie? Alles schon mal dagewesen, du Salzknabe.«
Gelächter.
Ro wartete, bis es verklungen war, dann verließ er sein Karree. Er trat auf die Tanzfläche und schleuderte seinen Umhang wie eine vom Wind erfasste Fahne um den Körper. Jeder sah, dass er von innen rot gefüttert war.
Rot wie Blut…
»Will niemand einen Tanz mit mir wagen? Will es wirklich keine von euch Hexen?«
Niemand sagte etwas. Nur hier und da ein verhaltenes Kichern.
»Dann gut, meine kleinen Hexen. Wenn ihr so feige seid, werde ich mir einige von euch aussuchen. Ich treffe die Entscheidung, wer in den Armen eines Vampirs über die Tanzfläche gedreht und hinterher seines kostbaren Lebenssaftes beraubt wird.« Während dieser Worte hatte sich Ro Bittl leicht geduckt und sich im Kreis gedreht, so dass sein Blick fast jeden erfasste, der sich um die Tanzfläche herum aufgebaut hatte.
»Grauen, Entsetzen, aber auch wilde Freude und Euphorie werden derjenigen zuteil werden, die es wagt, mit mir den Vampirwalzer zu tanzen. Na los, ihr mutigen Hexen. Kommt, kommt herbei. Ich frage noch einmal: wer will mit mir tanzen? Mit mir, dem Fürsten der Finsternis, dem Grafen der Nacht?«
Er drehte sich in Kreis und suchte nach »Opfern«. Es gab ein paar Mädchen, die zuckten zurück. Niemand traute sich so recht, denn Ro Bittl machte seine Sache ausgezeichnet. Sie wirkte sehr, sehr echt.
»Nun? Keine? Dann werde ich eben die erste von euch bestimmen, die mit mir tanzt!«
»Halt!« rief plötzlich eine helle Frauenstimme. »Wir tanzen mit dir, du nachgemachter Vampir«.
Roland Bittl drehte sich um. Er war wirklich überrascht, denn damit hatte er nicht gerechnet.
Bisher hatte er die oder diejenigen Personen noch nicht gesehen, dann bildeten die Menschen an der Tanzfläche eine Gasse, so dass die Tänzerinnen hindurchkonnten.
Ro Bittls Augen wurden groß, als er die beiden Mädchen sah…
***
Sie kamen aus der Hexenstube!
Mit gemessenen Schritten gingen sie vor. Und sie trugen eine Kleidung, wie sie in diese Disco gar nicht hineinpasste. Irgendwie erinnerten die Röcke und
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