Disco Dracula
du noch?« fragte Grattner.
»Mir ist schlecht, verdammt.«
»Komm mit zur Toilette.« Die Gäste machten bereitwillig Platz, damit beide Männer hindurchkonnten. Sie waren im Augenblick die Hauptpersonen, auf die beiden Mädchen achtete niemand.
Gitti und Gaby nutzten das aus. Niemand achtete auf sie, wie sie sich zurückzogen. Auf ihren Lippen lag ein böses Lächeln, als sie sich an der großen Theke vorbeischoben und dem Ausgang immer näher kamen.
Plötzlich waren sie verschwunden. Und es schien so, als hätten sie sich in Luft aufgelöst…
***
Roland Bittl wohnte nur ein paar Straßen weiter. Hinter der Galopprennbahn, wo der Südfriedhof begann. In einem älteren Haus hatte er dort eine kleine Erdgeschosswohnung. Wenn er aus dem Fenster blickte, konnte er den Friedhof sehen, was ihm als Vampir vom Dienst allerdings nichts ausmachte.
Grattner hatte Roland Bittl in seinem Wagen hergefahren. Auf der Toilette hatte sich der Discjockey zweimal übergeben müssen, jetzt ging es ihm wieder besser.
Langsam fuhr der beige Lancia durch die Straße. Seine Scheinwerfer wirkten wie zwei helle Glotzaugen. Das Haus lag auf der linken Seite und stand fast im Straßenknick.
Wie ein Toter lag Roland Bittl auf dem Beifahrersitz. Er war bleich im Gesicht, und das nicht von der Schminke, denn die war inzwischen verlaufen.
Der Lancia rollte aus. Direkt vor dem Haus blieb er stehen. Hinter keinem Fenster brannte mehr Licht. Die Menschen hier schliefen früh und fast so fest wie die Toten schräg gegenüber.
Heinz Grattner stellte den Motor ab. Dann wandte er Roland Bittl sein Gesicht zu. Der Discjockey hatte die Scheibe an einer Seite nach unten gekurbelt und holte tief Luft.
»Wie geht es dir?« fragte Grattner.
»War das eine Scheiße«, stöhnte Bittl. »Mensch, die beiden Weiber haben mich fertig gemacht.«
Heinz Grattner lachte leise. »Ich habe mich auch gewundert. Die waren besser als du.«
Roland stemmte sich in die Höhe. Dabei rutschte er mit dem Rücken über den Sitz. »Und was das schlimmste ist, die waren überhaupt nicht erschöpft.«
»Wie meinst du das?«
»Kein Tropfen Schweiß auf der Stirn. Die haben kaum schneller geatmet. Wobei ich mich frage, ob sie überhaupt geatmet haben.«
»Wie?« Grattner zuckte zusammen. Er fröstelte plötzlich und musste unwillkürlich an die beiden verschwundenen Mädchen denken. »Nicht geatmet?«
»Nein, wie echte Vampire.« Bittl lachte, doch sein Chef stimmte nicht in das Lachen ein. Er war sehr nachdenklich geworden.
Roland stieß ihn an. »He, was ist?«
Grattner schüttelte den Kopf. »Nichts, ich habe nur gerade an etwas gedacht. Da sind zwei Mädchen verschwunden, ich habe Gesichter in der Wand in der Hexenstube gesehen.«
Roland Bittl lachte. »Mein lieber Heinz, wir beide brauchen mal Urlaub.«
»Meiner liegt erst drei Wochen zurück.«
»Dann fahr noch mal. Ich jedoch lege mich ins Bett.« Er tastete zum Türöffner, um den Wagenschlag aufzustoßen. Frische Luft drang in das Fahrzeug.
»Soll ich dich noch reinbringen?« erkundigte sich Heinz Grattner besorgt.
»Danke, geht schon. Und danke auch, dass du mich hergefahren hast.«
»Schon gut. Ach so, noch etwas«, sagte Heinz Grattner, als sich der andere schon abgewendet hatte. »Die Sache mit heute Abend, also deinen Wechsel, den überlegst du dir doch noch?«
»Mal sehen.« Roland haute die Tür zu. Tief atmete er durch. Ein schmaler Weg führte bis zur Haustür und teilte das kleine Rasenstück vor der Wohnung in zwei Hälften.
Heinz Grattner fuhr an. Er brauchte nicht zu wenden, rollte die Straße durch, bis er rechts einbiegen konnte. Am Schleusengraben. Auch hier war der Friedhof zu sehen. Grattner fuhr die Straße entlang, kurvte dann in die Gelsenbergstraße, fuhr ein Stück und hatte bald die Hauptstraße vor sich liegen, die man hier An der Rennbahn getauft hatte. Wo sie und die Turfstraße zusammenstießen, da lag auch die Disco Dracula.
Der Discjockey Roland Bittl hatte inzwischen seinen Schlüssel hervorgekramt und die Tür aufgeschlossen. Auf dem kurzen Stück war ihm wieder schwindlig geworden, und fast hätte er sich sogar übergeben.
Das tat er dann im Bad seiner Wohnung. Nachdem sein Magen so gut wie leer war, fühlte er sich wieder wohler. Dicker Schweiß lag auf seiner Stirn, das Licht der hellen Deckenlampe blendete ihn. Bittl setzte sich auf den Wannenrand und dachte nach.
Die Mädchen waren wirklich eine Wucht gewesen. Am liebsten hätte er sie beide abgeschleppt.
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