Disziplinmanagement in der Schulklasse
Umdeuten der Störung, indem man dem Störverhalten beispielsweise eine positive Motivation unterstellt. Gesetzt den Fall, man sieht, wie sich zwei Schüler miteinander kabbeln, kann man ihnen mitteilen: «Ihr habt euch zum Streiten gern.» Oder man beobachtet, wie sich zwei Schülerinnen am Stundenbeginn miteinander unterhalten, und merkt dazu an: «Ihr habt euch was Wichtiges mitzuteilen. Können wir auch davon erfahren?» Weitere Interventionsvarianten sind (Molnar/Lindquist 2006):
Positive Funktion erkennen: Ein Negativverhalten wird zu einem wich tigen Änderungssignal: «Sobald sich Unruhe ausbreitet, ändere ich die Unterrichtsform.»
Durch die Hintertür stürmen: Ein Problemschüler wird für ein Positiv verhalten vor der ganzen Klasse gelobt, was die Beziehung zu ihm stark verändern und seinem Negativverhalten Störungsenergien entziehen kann.
Schweizer-Käse-Prinzip: Man starrt nicht auf das, was problematisch an einem Schüler ist (die Löcher), sondern sucht gezielt nach Ausnahmen (den Käse drum herum).
Änderungsehrgeiz anstacheln: Man fragt den Problemschüler, ob er sich eine Änderung zutraut, wobei das Änderungsziel bewusst bescheiden definiert wird: «Schaffst du es, während einer Stunde pro Woche unauffällig zu bleiben?»
Symptomverschreibung: Man fordert den Problemschüler auf, das Fehl verhalten fortzusetzen, jedoch in abgewandelter Form: «Du darfst bei mir schwätzen, jedoch nur in den ersten fünf Minuten.»
Nicht zu unterschätzen ist auch eine Intervention, die zum einen aus der Kritik am Störverhalten besteht und zum anderen ein Teillob enthält. Siekönnte lauten: «Simone, ich würde mich freuen, wenn du in Englisch genauso gut mitarbeiten würdest wie in Deutsch.» Solche Art von Kritik wirkt motivierender als ein Tadel.
Wer die Kunst des «sanften Reagierens» beherrscht, kann damit manchem Störverhalten den Wind aus den Segeln nehmen oder Spannungen durch Lachen entkrampfen. Ein wichtiger Zusatzeffekt besteht auch darin, dass man den Handlungsspielraum bewahrt.
Stören Schülerinnen und Schüler den Unterricht nachhaltig, ist strenges Intervenieren angesagt. Zum Beispiel dann, wenn ein Schüler mitten in einer konzentrierten Phase laut dazwischenruft, andere Schüler ablenkt oder part-out nicht mitarbeitet. In solchen Disziplinkonfliktsituationen empfiehlt sich ein gestuftes Vorgehen, das mit der Klasse am Beginn des Schuljahres abzustimmen ist. Es kann nach folgendem Muster ablaufen:
Erste Ermahnung: Man schaut den Schüler mit ernstem Gesicht an und sagt ihm klar und deutlich, was man von ihm will: «Ich möchte, dass du deinen Nachbarn in Ruhe lässt:»
Zweite Ermahnung: Man sendet erneut eine warnende Botschaft: «Ich möchte dich darum bitten, deinen Nachbarn in Ruhe zu lassen. Wenn dies nochmals passiert, werde ich dich bestrafen.»
Konsequenz/Strafe: «Es gelingt dir leider nicht, meine Ermahnungen ernst zu nehmen. Deshalb wirst du Extra-Aufgaben erledigen müssen. Komm nach der Stunde zu mir.»
Das gestufte Intervenieren kann auch mit Farbsignalen gekoppelt werden, und zwar mit der gelben und roten Karte. Bei der ersten und zweiten Störung zeigt man die gelbe Karte. Stört der Schüler erneut, erhält er die rote Karte und eine entsprechende Sanktion. Der Vorteil dieser Methode ist, dass es sich um unmissverständliche Signale handelt, die alle Schülerinnen und Schüler vom Sport her kennen.
Eine solche Stufenfolge macht unmissverständlich deutlich, dass das Appellieren nicht unbegrenzt stattfindet, sondern eine weitere Grenzüberschreitung negative Konsequenzen hat, und zwar in Form einer Strafe. Im Gegensatz zur lange Zeit sich haltenden These, dass eine Strafe Fehlverhalten nur vorübergehend unterdrückt, ist sie aus empirisch-psychologischer Sicht unter einer Reihe von Voraussetzungen wirksam (Gage/Berliner 1996, Schermer 2006). Erstes sollte dieses Erziehungsmittel unmittelbar nach der Fehlhandlung angewandt werden. Zweitens muss die Strafe dem Fehlverhalten angemessen sein. Drittens sollte sie altersgemäß sein. Viertens sollte sie begründet werden. Und fünftens ist sie so zu kommentieren, dass der zu Bestrafende in seinem Selbstwert- und Ehrgefühl nicht verletzt wird. Dies wäre der Fall, wenn man ihn zum Beispiel wegen einer Sachbeschädigung einen Kriminellen nennen würde. Der Kommentar sollte zwischen Tat und Täter unterscheiden. Werden Schüler zu sehr gedemütigt, entstehen Hassgefühle und der Wunsch nach Vergeltung. Obwohl es wichtig ist,
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