Disziplinmanagement in der Schulklasse
entschuldigen und um Verzeihung zu bitten. Die Gefahr, dass man dadurch seine Position schwächt, ist gering. Eher das Gegenteil wird der Fall sein. Die Schülerinnen und Schüler erleben eine solche Lehrperson als Menschen, der einen Fehler eingesteht, der sie ernst nimmt und der an einem guten Beziehungsklima sehr interessiert ist. Ihr wiedergutmachendes Verhalten kann somit auch zum Vorbild für die Lösung von Schüler-Schüler-Konflikten werden.
In bestimmten disziplinschwierigen Phasen kommt man jedoch nicht umhin, das empathische Beziehungsverhalten zu «suspendieren», weil man notwendige Grenzen zu ziehen hat, und zwar in Form von Appellen, Kritik und Sanktionen. Normalerweise akzeptiert dies die Klasse als unumgänglichen Eingriff, ja fordert es bisweilen sogar ein. Gleichzeitig werden die Grenzüberschreiter und Normverletzer darauf aversiv reagieren. Dies auszuhalten und zu verarbeiten fällt der menschlichen Führungsperson nicht leicht. Die folgende Einstellung kann ihr dabei behilflich sein: Wer führt, muss in Kauf nehmen und aushalten, dass er nicht ständig geliebt wird.
Einem weiteren Missverständnis sei noch vorgebeugt. Und zwar der Einstellung, ständig führen zu müssen. Würde man dies tun, entstünde binnen kurzer Zeit eine Übersteuerung. Wichtig ist, dass die Lehrperson sich zwischendurch zurücknimmt und Raum gewährt für die Selbstführung der Klasse. Besitzt die Klasse einen guten Gruppengeist, kann sie durch Selbst-regulation unnötige pädagogische Energieausgaben vermeiden helfen.
Wer als pädagogische Führungsperson wirksam werden möchte, braucht zum einen ein selbstbewusstes Auftreten, das allerdings nicht mit Arroganz verwechselt werden darf. Zum anderen ist ein positives Erscheinungsbildvonnöten. Erstens versteht man darunter ein gepflegtes Äußeres und eine ordentliche Kleidung. Zweitens gehört dazu eine Sprache, die sich von der Szenesprache der Jugendlichen unterscheidet. Drittens erkennt man es an einem vorbildlichen, höflichen Umgangsstil.
Ob eine Lehrperson von einer Schulklasse als Autoritätsperson wahrgenommen und akzeptiert wird, entscheidet sich oft schon in der ersten Unterrichtsstunde. Spätestens nach 90 Sekunden, bisweilen schon nach 150 Millisekunden ist das erste «Lehrerbild» perfekt. Es entsteht blitzlichtartig aus einer Kombination sprachlicher und nichtsprachlicher Erscheinungsmerk-male. Dieses Ergebnis der Hirnforschung muss zur Konsequenz haben, dass sich die Lehrperson auf die erste Begegnung mit der neuen Klasse mental gut vorbereitet und sich wirksam präsentiert.
Kollegialer Grundkonsens
Schule funktioniert nur, wo gemeinsame Wertvorstellungen herrschen, man gemeinsam verstandenen Prinzipien folgt.
Hartmut von Hentig
Verhaltensstörungen treten dort häufiger auf, wo sich Lehrerinnen und Lehrer hinsichtlich grundsätzlicher Erziehungsziele und Erziehungsmethoden uneins sind, wo Beliebigkeit und Gegenläufigkeit das pädagogische Handeln kennzeichnen. Daraus folgt, dass ein Erziehungskonsens erarbeitet werden muss, an dem sich das pädagogische Handeln ausrichtet. Ort dieser Konsensbildung sind die Gesamtlehrerkonferenz und/oder die Klassenkonferenz. Rutter u. a. (1980) fand in seiner berühmt gewordenen Schulqualitätsstudie heraus, dass ein Erziehungskonsens Disziplinprobleme in deutlichem Maße reduzieren hilft. Es versteht darunter nicht ein Handlungskorsett, das den einzelnen Lehrer einengt, sondern einen Handlungsrahmen. Dieser besteht aus gemeinsam erarbeiteten und getragenen Grundsätzen, an denen sich die tägliche Erziehungsarbeit orientiert.
Am notwendigsten ist die Konsensbildung auf der Klassenebene. Ihre Verwirklichung lässt sich am besten fördern, wenn man am Schuljahresbeginn in jeder Klasse eine pädagogische Konferenz durchführt, auf der die Ziele der Erziehungsarbeit bestimmt und deren Umsetzung kooperativ geplant werden. Dies kann in einem zielorientierten Dialog geschehen, den die Klassenleitung moderiert und an dessen Ende klar ist, wo man an einem Strang ziehen muss. Darüber hinaus ist auch ein systematischeres Vorgehen nach der Moderationsmethode möglich, das folgendermaßen ablaufen könnte:
Die in einer Klasse unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer, auch Klassen-team genannt, treffen sich am Schuljahresbeginn, um ihre persönlichen Erziehungskonzepte auszutauschen. Zu Beginn notiert jede Teilnehmerin, jeder Teilnehmer stichwortartig Antworten auf folgende Fragen:
Welche Erwartungen habe ich an das Verhalten
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