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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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schönsten Männer der Welt ihr zu Füßen lagen, ihr alle Wünsche von den Lippen ablasen.
    Dennoch konnte ihr keiner geben, was sie sich ersehnte. Keinem einzigen war sie bis jetzt begegnet, der auch nur das entfernteste Verständnis für ihre Welt, für ihre Besessenheit, für ihre Liebe zu den Düften dieser Welt aufbrachte. Keiner, der eine Saite in ihr zum Klingen brachte, von der sie selbst nur ahnte, dass sie existierte.
    Manchmal klagte Isabelle Mathilda ihr Leid, der einzigen Vertrauten, die sie neben ihrem Therapeuten in ihr Leben ließ. Gemeinsam lauschten sie auf das Ticken der Uhr und Mathilda unternahm, was ihr in den Sinn kam, um Isabelle von ihrer Einsamkeit abzulenken. Doch alle Bemühungen resultierten nur darin, dass Isabelle sich mehr denn je in ihrer Arbeit vergrub, dass ihre Suche nach neuen Düften sich zu einer Obsession auswuchs, die jedes andere Gefühl zu ersticken drohte.
    Mathilda floh von Zeit zu Zeit aus dem bedrückenden Umfeld, gewöhnte sich ab, die Freundin zu beobachten, die Tag für Tag missmutiger und freudloser erschien. Mathilda floh weit, suchte dann ihre einzige Verwandte auf, eine Tante aus Kindheitstagen, die aus eigener Kraft eine Gärtnerei aufgebaut hatte. Was Mathilda nicht wusste: ihrer Tante Helene war es zur Gewohnheit geworden, dem eigenen Schicksal zu danken, indem sie immer wieder eine verlorene Seele in ihr Haus und in ihren Betrieb aufnahm. Jemanden, der ohne Abschluss, ohne Familie und ohne Zukunftsaussichten auf die schiefe Bahn geraten war oder andere finstere Gefilde durchwanderte.
    Mathilda sah ihn selten und Helene erklärte ihr auch den Grund. Der junge Mann sprach nicht viel. Er bewegte sich in Gesellschaft anderer Menschen unsicher und ungelenk. Seine Ängste waren wohl begründet und die Flucht in die Welt der Pflanzen nur allzu verständlich. In Helenes Gewächshäusern fand er Ruhe und Frieden. Die Blumen wurden ihm zu besseren Vertrauten, als jeder Mensch es gewesen wäre. Sie sprachen zu ihm und er antwortete. Er säte, pflanzte und pflegte mit jener rückhaltlosen Liebe, die selten war und die weder Mathilda noch Helena jemals wieder beobachteten.
    Peter war ein Segen für ihr Geschäft, so vertraute Helene ihrer Nichte an. Ihre Pflanzen wuchsen und gediehen, als versuchten sie, ihm damit eine Freude zu bereiten, ihn für seine Vergangenheit zu entschädigen.
Manchmal bekam sie ihn tagelang nicht zu Gesicht. Nur die Spuren seiner Arbeit, die sorgfältig gewässerten Töpfe und Kästen, die liebevoll geschnittenen Hecken und die immer wieder vorwitzig aus der dunklen, reichen Erde sprießenden Keime, erzählten von seiner Anwesenheit.
    Und wenn er zurückkehrte, dann duftete er nach Jasmin, betäubend genug, als bedeckten ihn die Blüten der Pflanze immer noch. Der Duft haftete an ihm, ließ ihn über das gesamte Jahr nicht los, entfaltete sich zur Blütezeit jedoch zu nahezu atemberaubender Fülle. Wenn er an Helene vorüberging, so vertraute sie Mathilda an, dann umhüllte ihn eine Süße, die jeden rationalen Gedanken flüchten ließ. Zurück blieb nur ein Gefühl des Glücks, das mit keinem Wort zu erfassen war. Er duftete reiner als jede Blüte es könnte, klarer, als ein Hain gepflanzt aus Jasmin es im Zauber des Mondlichtes vermochte.
    Sein Duft verband die Trauer seines Wesens mit dem Wunder der Natur und niemand konnte sich ihm entziehen.
    Mathilda lachte, als sie Helene zuhörte. Sie kannte die teuersten Parfums, ihr Leben bestand aus den exquisitesten Gerüchen, und allein die Vorstellung, der Duft einer gewöhnlichen und nicht einmal exotischen Pflanze überträfe das fachliche Geschick der Meister auf ihrem Gebiet, entlockte ihr ein Lächeln.
    Doch Helene blieb überzeugt und als Mathilde aufsah, entdeckte sie Peter, der, weit genug fort von dem lauschigen Plätzchen, an das sie sich zurückgezogen hatten, aber doch nah genug, damit sie seine hochgewachsene Gestalt bewundern konnte, mit anmutigen Bewegungen Unkraut jätete.
    Mathilde betrachtete ihn sich genauer, das dunkle Haar, das ihm locker in die Stirn fiel und das er sich nicht selten mit einem ärgerlichen Kopfschütteln zurückwarf. Dennoch fiel es ihm unablässig erneut in sein Gesicht. Und als Mathilde ihre Aufmerksamkeit auf die großen, braunen Augen richtete, die so gedankenverloren in die Ferne zu blicken schienen, da wurde ihr klar, dass sie nie zuvor einen schöneren Mann gesehen hatte.
    Helene sah sie lächelnd an. „Hat was der Knabe, oder nicht?“
    Mathilde nickte

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