Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
Vom Netzwerk:
beschlich ihn auch die Erinnerung an eine Begegnung, an die zu glauben, er sich dennoch weigerte.
    Älter wurde er, sein Körper gebrechlich. Seine Erscheinung sank in sich zusammen, seine Wirbelsäule beugte sich unter dem Gewicht des Alters.
    Die Falten in seinem Gesicht entstammten nun nicht mehr seinem Gram, sondern waren natürliche Folge des Alters.
    Mit dem Nähern des Endes seines Lebens entdeckte er dessen Wert.
    Je mehr sein Körper zerfiel, desto wacher wurde sein Geist, desto heftiger seine Träume.
    Er flüchtete vor ihnen. Die Kirche des Ortes, die er seit seiner Kindheit nicht mehr von innen gesehen hatte, sah ihn öfter als je zuvor.
    Angst ergriff ihn und schlug um in Panik. Je wehrloser er sich fühlte, desto gewaltiger stürzten sich die Bilder des roten Monsters auf ihn. Und er begann, um seine Seele zu bangen.
    So erstaunte es ihn nicht wirklich, als eines Nachts Luzifer vor ihm stand.
    Josef saß zusammengesunken in seinem Sessel, starrte auf den Boden. Es war Mitternacht und wieder Heiligabend. Doch Josef konnte dem Fest noch immer nichts abgewinnen. In all den vergangenen Jahren hatte er sich an diesem Datum in sich zurückgezogen, gerade als erahnte er, dass an diesem Tag begonnen hatte, was sich nicht mehr stoppen ließ.
    „Ich bin gekommen, um meinen Vertrag einzulösen“, sagte Luzifer.
    Josef blinzelte zögernd, hob widerstrebend die Lider.
    „Ich dachte, du bist nicht echt“, krächzte er.
    „So geht es vielen von euch erbärmlichen Menschen“, erwiderte Luzifer. „Was für euren Verstand zu groß und bedeutend ist, das zieht ihr vor zu leugnen.“
    Er schüttelte den Kopf und Josef betrachtete die langen Hörner und die Dunkelheit, die sie nach sich zogen.
    „Bitte …“, flüsterte er.
    Luzifer lachte. „Handeln wollt ihr auch alle. Es wäre mitleiderregend, wenn ich Mitleid empfände.“
    „Ich kann mich nicht erinnern.“
    Luzifer schnalzte mit der Zunge. „Es ist doch immer wieder dasselbe. Du hattest einen Wunsch, und ich habe ihn dir erfüllt. Aber nichts auf dieser Welt ist umsonst. Ihr vergesst das nur.“
    „Ich habe es nicht vergessen“, ächzte Josef. „Was willst du also? Meine Seele?“
    Luzifer nickte. „So lautet der Vertrag.“
    Josef hustete. „Aber ich habe meine Meinung geändert. Ich habe mich geändert.“
    Luzifer schüttelte den Kopf. „Du bist älter geworden, hast dein Leben gelebt. Und du musst zugeben, dass es ein gutes Leben war.“
    „Das war es“, nickte Josef. „Aber … erst seitdem ich dich getroffen hatte, gingen mir die Augen auf. Zuvor erkannte ich nicht, worum es wirklich ging.“
    Luzifer verschränkte die klobigen Arme vor der Brust. „Ja, das kommt mir auch bekannt vor. Erst mit dem Bewusstsein eurer Endlichkeit, wisst ihr das Leben zu schätzen.“
    „Das ist es nicht.“ Josef schüttelte heftig den Kopf. Sein Genick schmerzte.
    „Ich war verblendet. Und plötzlich zog mir jemand den Schleier vom Gesicht.“
    „Und nun willst du aus dem Handel raus.“ Luzifer senkte den Kopf. Seine Hörner wiesen drohend auf den alten Mann im Sessel.
    Der hustete wieder, trocken und gequält. „Ich weiß, dass ich aus dem Handel nicht rauskomme“, fuhr er fort, als er wieder zu Atem kam. „Aber ich muss es doch wenigstens versuchen. Es ist nicht fair, wenn einem nicht alle Fakten dargelegt werden.“
    Luzifer lachte. „So ist das Leben. Niemand kennt alle Fakten. Darin liegt das Abenteuer.“
    „Ich brauche noch etwas Zeit“, stammelte Josef. „Ich muss andere warnen, … erklären, was geschehen ist.“
    „Einen Aufschub?“ Der Teufel runzelte die Stirn. „So läuft das nicht. Deine Seele ist mein.“
    „Das weiß ich doch.“ Josef keuchte und rang nach Luft.
    „Und ich wehre mich auch nicht. Ich brauche nur mehr Zeit.“
    „Und ob du dich wehrst“, stellte Luzifer fest. „Gib es zu. Du würdest alles tun, alles eintauschen, um zu erhalten, was du dir wünschst. Geradeso wie du es schon einmal getan hast.“
    Josef wand sich in seinem Stuhl. Seine Glieder schmerzten, doch die Wahrheit schmerzte mehr.
    „Was willst du von mir?“
    Luzifer hob eine Augenbraue und lächelte. Seine gelben Zähne blitzten.
    „Du musst mir einen Grund bieten“, meinte er nachdenklich. „Ein Entgelt, das sich für den Teufel lohnt.“
    „Was?“ Josefs Atem ging rasselnd, bevor er stockte.
    „Verschaff mir weitere Seelen.“ Luzifer kniff die Augen zusammen und riss sie gleich darauf weit auf, so dass ihr gelbes Licht Josef blendete und

Weitere Kostenlose Bücher